4 Ergebnisse der Zielgruppenbefragung

Nachdem der erste Teil der Untersuchung (Befragung regionaler Rockgruppen; Gespräch mit dem Saarbrücker Rockbüro) in erster Linie dazu diente, Erkenntnisse und Daten über die regionale Rockszene selbst zu erhalten, geht die sogenannte Zielgruppenbefragung einen Schritt darüber hinaus und fragt nach dem potentiellen Publikum, nach der Akzeptanz regionaler Rockgruppen und dem Maße, in dem Saarbrücker Jugendliche an dieser Szene interessiert bzw. darüber informiert sind.

Es geht an dieser Stelle weniger um eine statistisch komplexe und für die Stadt repräsentative Erhebung, als vielmehr um eine einfache Trendanalyse, die das Verhältnis der Jugendlichen zu "ihrer" Rockszene etwas beleuchten soll. Ein einfach strukturierter, kurzer Fragebogen (Dauer: etwa 5–10 Minuten) und eine mittlere Stichprobengröße (n=154) sind die Basis, auf der die Daten gewonnen wurden.

Die Stichprobe ist nicht repräsentativ. Es wurde jedoch während der Erhebung darauf geachtet, wenigstens über die verschiedenen Ausprägungen der Variablen Geschlecht/Alter/Tätigkeit sowie hinsichtlich der jeweils präferierten Musikstile eine ausreichende Streuung zu erreichen und damit die Bildung einfacher Teilgruppen und unkomplizierte Korrelationen zu ermöglichen.

Die Eingrenzung der Stichprobe anhand des Begriffs "Jugendliche" erfolgte ausschließlich über das Alter der Befragten. Hauptsächlich wurden 15–25jährige angesprochen. Die ältesten in die Auswertung einbezogenen Personen waren 29 Jahre alt.

Auswertung

Es interessieren vor allem drei zueinander in Beziehung stehende Gesichtspunkte:
  • das allgemein vorhandene Interesse an regionalen Bands
  • Informiertheit über die regionale Rockszene (Kenntnis von Bands Veranstaltungsorten etc.
  • Art und Umfang des tatsächlichen Konzertbesuch

I Interesse:

Das Interesse am Besuch von Live-Konzerten ist bei Jugendlichen aller Altersklassen gleichermaßen ausgeprägt. 88% gaben an, gerne auf Konzerte zu gehen. Nur 18 der 154 Befragten äußerten sich grundsätzlich ablehnend.

Wichtiger jedoch ist in diesem Zusammenhang die Zustimmungsrate hinsichtlich der Auftritte regionaler Gruppen. Immerhin 79% meinten auch hier, sie hätten allgemein Interesse, solche Veranstaltungen zu besuchen.

Betrachten wir die Gruppe der Personen, die zwar ein grundsätzliches Interesse bejahten, sich jedoch desinteressiert gegenüber regionalen Bands zeigten, so wurden für diese Haltung folgende Gründe angeführt (in absoluten Zahlen, da lediglich 15 Personen in diese Kategorie fallen):

Grafik: Interesse an lokalen Bands

II Informationsstand:

Zwar ist die Haltung Jugendlicher trotz der oben genannten Kritiken insgesamt als positiv zu bezeichnen, doch stellt sich die Frage, ob dieses zunächst noch passive Interesse tatsächlich die wache Wahrnehmung des vorhandenen Angebots bzw. die aktive Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen zur Folge hat.

Bezüglich der Wahrnehmung richtete sich die erste Frage auf die Anzahl von Bands, die im Saarbrücker Raum vermutet wurden, ausgehend von der Annahme, mit abnehmendem Informationsstand um so ungenauere Schätzungen (nach unten abweichend) zu erhalten.

Tatsächlich lassen die Schätzungen vermuten, Saarbrücker Bands agierten mehrheitlich im Untergrund und unter Geheimhaltung ihrer Existenz. Als realistische Zahl lassen sich die 200 beim Saarbrücker Rockbüro gemeldeten Gruppen angeben, eventuell zuzüglich einer "Dunkelziffer" von bis zu 100. Es musizieren also in der Region 200–300 Bands. 80% jedoch lagen mit ihren Schätzungen unter dieser Marke, 70% bei 100 und weniger und 49% sogar bei 50 oder darunter (eine derart niedrige Schätzung wirkt fast skurril, hält man ihr gegenüber, daß alleine in der nur 154 Personen umfassenden Stichprobe auf die Frage nach konkreten Bands bereits 85 Gruppen – obgleich mehrheitlich Einfachnennungen – genannt wurden).

Folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Schätzungen:

Grafik: Schätzung, Anzahl der lokalen Bands
Einen interessanten Einfluß hat das Alter. Grundsätzlich waren die Angaben mit
zunehmendem Alter um so genauer:

Grafik: Richtigkeit der Schätzung/Alter der Befragten

Eine weitere Frage, die testen sollte, wie konkret das Vorhandensein einer Rockszene wahrgenommen wird, war die Frage nach den Bands, die dem jeweils Befragten bekannt waren. Es wurde um vollständige Angabe aller bekannten Bands gebeten.

Auch hier bemerkenswert, daß im Durchschnitt nur zwischen zwei und drei Bands genannt werden konnten (Mittelwert: 2,3). Berücksichtigt man nur die Befragten die ein Interesse an Konzerten regionaler Bands angegeben hatten, so war das Ergebnis nur geringfügig besser (Mittelwert: 2,8). Eine Häufigkeitsverteilung:

Grafik: Anzahl der bekannten Bands

Auch hier wieder die Feststellung einer enormen Altersabhängigkeit der Angaben:

Grafik: Anzahl der bekannten Bands/Alter der Befragten

Darüber hinaus wollten wir von den Befragten wissen, wo sie sich denn über jeweilige Veranstaltungstermine informieren würden; außerdem baten wir um Nennung einer möglichst großen Vielzahl von Veranstaltungsorten für Auftritte regionaler Bands.

Annahme war wiederum beide Male, um so ausführlichere und umfangreichere Nennungen zu erhalten, je größer die tatsächliche Kenntnis der Szene sei. Keine oder allzu knappe (bisweilen sogar falsche) Angaben werden als Indiz für einen geringen Informationsstand herangezogen. Es interessieren hier nur noch die Personen, die ein grundsätzliches Interesse bejahten, bei denen es also darum ging, ein eventuelles Mißverhältnis zwischen dem tatsächlichen Interesse und der aktiven Teilnahme aufzudecken.
Auf den ersten Blick scheinen die Ergebnisse hier recht positiv: Über zwei Drittel konnten zwei oder mehr Informationsquellen angeben. Veranstaltungsorte können von der Hälfte drei oder mehr genannt werden.

Der naheliegende Schluß: Wen gerade mal die Lust auf ein Konzert packt, für den ist es auch weiter kein Problem, den nächstbesten Termin wahrzunehmen.

Die Annahme ist jedoch unrichtig, da die Antworten im großen und ganzen sehr unspezifisch sind. Hinsichtlich der Informationsquellen werden an erster Stelle "Plakate" und "Bekannte/Mund-zu-Mund-Propaganda" genannt. Es handelt sich hierbei jedoch zum einen um eine passive, zum anderen um eine indirekte Methode, sich zu informieren. Aktive Information folgt mit Abstand erst auf den Rängen drei bis fünf: Zeitschriften/Kulturführer, Zeitung, Radio.

Hinsichtlich der Zeitschriften (Kakadu, Pavillon, Live etc.) läßt sich anmerken, daß nur 22% in der Lage waren, den Namen einer solchen regionalen (Kultur-) Zeitschrift anzugeben. Wenngleich also Zeitschriften recht häufig genannt werden, muß daran gezweifelt werden, daß sie jedem tatsächlich unmittelbar zugänglich sind.

Auch die Angabe "Zeitung" wurde nur gelegentlich spezifiziert. So erwähnten lediglich 9% das Saarland-Journal der Saarbrücker Zeitung. Der Wochenspiegel wurde von gerade einmal drei Personen als Infoquelle angegeben.

Informationsquellen (Nennungen der Befragten):

Informationsquellen

Um die tatsächliche, konkrete Bedeutung der eigenen Angaben der Befragten einschätzen zu können, läßt sich die obige Tabelle mit zwei weiteren Vergleichen: Zum ersten wurden die 5 in der offenen Frage meistgenannten Items den Befragten auch in einer geschlossenen Frage vorgelegt, ergänzt um den Gesichtspunkt "Bekannter in der Band". Sie sollten dabei ihrer Wichtigkeit für den jeweiligen Befragten nach geordnet werden, und es ergab sich folgende, bereits veränderte Reihenfolge (Rangskala von 0–5).

Informationsquellen (anhand geschlossener Auswahlfrage):

Grafik: Wichtigkeit der Informationsquellen

Der dritte Schritt ging über hypothetische Einschätzungen hinaus: Auf einer Handvoll auf entsprechende Weise angekündigten Konzerten wurden Besucher gefragt, wie sie denn in dem ganz konkreten Fall von der Veranstaltung erfahren hatten: Die Ergebnisse weisen wesentlich deutlichere Kontraste auf als die vorherigen Befragungen und zeigen darüber hinaus, wie das Wissen um bestimmte Informationsquellen noch nichts über deren Nutzung aussagt:

Informationsquellen (Befragung auf Konzerten):

Frafik: Informationsquellen der Konzertbesucher

Am deutlichsten sticht die dominierende Bedeutung der Mund-zu-Mund-Propaganda hervor; für Bands ein eher unerfreuliches Ergebnis, da es sich um einen werbetechnisch eher schwer zu beeinflussende Faktor handelt.

Ein kleinen Hinweis verdient vielleicht folgende Feststellung, die auf den Szenencharakter der Rockkultur hindeutet. Während das Item "Bekannter in der Band" für die überwiegende Mehrheit der Konzertgänger eine nur unbedeutende Rolle spielte, war es für diejenigen Befragten, die selbst Mitglied einer Rockgruppe sind, einer der ersten Wege, von einem Konzert zu erfahren.

Hingewiesen wurde bereits darauf, daß über die Hälfte der Befragten, drei oder mehr Veranstaltungsorte anzugeben wußten. Am häufigsten wurden dabei, die beiden noch bis vor einem halben Jahr bedeutendsten Veranstaltungsorte Ballhaus/Karter Karlos und Kühlhaus genannt, die sich anscheinend als Auftrittsort regionaler Bands ins Bewußtsein verankert haben. Im Moment sieht es jedoch so aus, daß die Anzahl der Konzerte im Ballhaus abgenommen hat und im Kühlhaus so gut wie gar keine Konzerte mehr stattfinden, obwohl Konzertveranstaltungen gerade für diese beiden Betriebe eine gute Möglichkeit wäre Eigenwerbung zu betreiben und Publikum zu unüblichen Zeiten anzulocken (vor 24 Uhr besucht z. B. außerhalb von Konzertveranstaltungen kaum jemand diese beiden Orte).

Auch im, mit 19% Anteil recht häufig genannten, Hades finden keine Konzerte mehr statt.

Erstaunlich ist, daß die Kulturfabrik mit 34% an vierter Stelle genannt wird, obwohl dort unseres Wissens im vergangenen Jahr gerade zwei Veranstaltungen mit regionalen Bands stattfanden (Saar-Rocky und Pennen-Power). Möglicherweise ist die Ursache dafür in der vorbildlichen Promotion für den Saar-Rocky zu suchen.

Eine Übersicht über die Angaben zu den Veranstaltungsorten:

Grafik: bekannte Veranstaltungsorte

III Tatsächlicher Konzertbesuch:

Nach den behandelten Informationsfragen wollten wir schließlich von den Befragten noch etwas über Art und Umfang ihres tatsächlichen Konzertbesuches wissen.

Die naheliegendste Frage war die nach der Häufigkeit des Konzertbesuches in den letzten 12 Monaten und dem jeweiligen Anteil von Bands aus Saarbrücken und Umgebung, wobei die natürlich die Befragten interessieren, die sich zuvor von regionalen Bands angesprochen zeigten.

Daß dabei der Konzertbesuch trotz des angeblich vorhandenen Interesses keine alltägliche Freizeitbeschäftigung wie Discobesuche oder Kinogänge sind, zeigt sich in folgender Grafik:

Grafk: Konzertbesuche

Hinsichtlich des Alters scheint die Verteilung recht gleichmäßig zu sein; lediglich die in Kategorie 18 und jünger gibt es eine starke Abweichung nach unten: weniger als drei Konzertbesuche jährlich wurden angegeben.

Der Mittelwert von jährlich etwa 10 besuchten Konzerten unter den Live-Konzert-Liebhabern steht natürlich ohne Vergleichsmaßstab im Raum, und es schwer einzuschätzen, ob es sich dabei um einen erfreulich hohen oder deprimierend niedrigen Wert handelt. Eine weiterer Gesichtspunkt aber rückt diese Zahl in ein gewisses Licht: 84% der Konzertgänger bejahten die Frage, ob sie gerne mehr Konzerte besuchen würden, als sie das gegenwärtig tun.

Es scheint als durchaus eine Basis vorhanden zu sein, die der Rockszene Saarbrückens eine größere Resonanz ermöglichen könnte. Das potentielle Publikum für Veranstaltungen regionale Gruppen ist bei weitem größer, als eher bescheidene Gruppe derer, für die Rockmusik Live-Konzerte einen alltäglichen Freizeitbestandteil darstellen.

Zurück zu den 84% derer, die gerne häufiger als bisher Konzerte besuchen würden. Als Gründe, die einer regelmäßigen Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen entgegenstehen, wurden genannt:

Grafik: Gründe gegen häufige Konzertbesuche

Man erkennt daß vier Gründe in etwa gleich oft genannt wurden. Während das Item "keine Zeit" außerhalb einer Beeinflussungsmöglichkeit durch Bands oder öffentliche Stellen steht und somit keines Kommentares bedarf, kann man die Items "oft zu teuer", "zu wenig Information" und "Angebot gering/schlecht" durchaus zueinander in Beziehung setzen. Die häufige Nennung von "zu teuer" mag zunächst einmal erstaunen, da ein Konzertbesuch nicht teuerer ist als ein Kino- oder Discobesuch. Wenn jedoch "zu wenig Information" über das Konzert vorhanden ist, überlegt sich der potentielle Konzertbesucher genau ob er das Risiko eingehen will, für eine Veranstaltung Eintritt zu bezahlen, wenn er nicht weiß, was ihn erwartetet. Ebenso läßt auch die fehlende Information den potentiellen Konzertbesucher annehmen, es gäbe nur ein geringes oder schlechtes Angebot.

Eine Ursache dafür mag wohl darin liegen, daß die bestehenden Möglichkeiten der Informationsverbreitung von den Bands und Veranstaltern aus Unwissenheit, Bequemlichkeit (Wer will es den Musikern bei den Gagenaussichten verdenken?) oder auch Arroganz nicht genutzt werden. Dem Publikum fehlt hingegen eine zentrale Informationsquelle aus der aktuelle Termine und Hintergrundinformationen erfahren werden könnten, wie dies zum Beispiel ein vierzehntäglich erscheinender Veranstaltungskalender ermöglichen würde.

Interessant ist noch, daß mehrfach als Hinderungsgrund für einen Konzertbesuch "schlechte Busverbindungen" angegeben wurde, obwohl diese Antwortmöglichkeit von uns gar nicht vorgegeben worden war. Dies weist darauf hin, daß ein funktionierendes Kulturleben eines funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs bedarf, von dem Saarbrücken noch weit entfernt ist. So fährt zum Beispiel1 an Wochentagen (Konzerte im Ballhaus finden nur an solchen Terminen statt) um 23.42 Uhr der letzte Bus auf den Eschberg. Wer nicht im Zentrum von Dudweiler wohnt muß gar um 20.00 Uhr (!) schon den Heimweg antreten oder einen längeren nächtlichen Fußmarsch auf sich nehmen. Auch für die Bübinger gibt es nach 24.00 Uhr keine Möglichkeit mehr nach Hause zu kommen. Ebenso schreckt der Stundentakt der Abfahrtszeiten davon ab, sich mit dem Bus auf den Weg zu einer abendlichen kulturellen Veranstaltung zu machen.1


1. vgl.: Gesellschaft für Straßenbahnen im Saartal AG: "Der große Fahrplan für Saarbrücken Stadt und Umland", Saarbrücken 1995