Vorwort

Bevor wir uns in der folgenden Untersuchung mit der Rockkultur in Saarbrücken beschäftigen werden, wollen wir zunächst einmal zur Begriffsklärung kommen und werden dabei erkennen, daß es um weit mehr geht, als nur um Tanzmusik für Jugendliche.

Was ist überhaupt Rock? Die Berliner Musikwissenschaftler Bernward Halbscheffel und Tibor Kneif definieren Rockmusik als "eine großstädtische, überwiegend vokale Musik, die wie der Jazz aus der Musik der weißen Einwanderer und der schwarzen Sklaven Nordamerikas schöpft. Rock benötigt für die Produktion die technischen und sozialen Gegebenheiten einer Industriegesellschaft wie Studios, Schallplattenfirmen, Rundfunk und Fernsehen. Von herausragender Bedeutung ist für die Rockmusik die Garantie künstlerischer Freiheit. Rockmusik ist von vornherein für jedermann zugänglich."1

Sicherlich sind viele Punkte dieser Definition durchaus diskussionswürdig, worauf es jedoch ankommt ist erstens, daß Rockmusik ein Akkulturationsprodukt ist, also aus der Mischung verschiedener Kulturen entstanden ist, und zweitens, daß sie sich in einer volksmusikalischen2 Tradition befindet.

Um die Bedeutung dieser zwei Punkte zu erkennen werfen wir einen kurzen Blick auf die Musikgeschichte: Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erfreuten sich die Vertreter der Bildungsmusik3 auch einer gewissen Popularität. Die Leute auf der Straße pfiffen Opernmelodien, Liszt und Paganini sorgten bei ihren Solokonzerten für hysterische Reaktionen und Igor Strawinsky konnte nur deswegen für Skandale sorgen, weil alle Augen auf ihn gerichtet waren.

Mit der Zwölftonmusik Arnold Schönbergs nahm es dann seinen Anfang, daß die Musik nur noch für Eingeweihte verständlich war und heute kennen nur noch wenige Spezialisten die aktuellen Vertreter und Tendenzen der sogenannten "ernsten Musik".

Gleichzeitig begann die industrielle Massenproduktion von Gebrauchsmusik auf Schallplatte. Es entstand also eine klaffende Lücke zwischen der esoterischen und elitären Expertenmusik und der billigen Musik als Massenkonsumartikel. Die Rockmusik hatte (und hat) nun genau die Voraussetzungen diese Lücke zu schließen:

Aus der Vermischung zweier Musikkulturen entstanden, ist sie weiterhin offen für neue musikalische Einflüsse und Ideen, nicht nur aus anderen Kulturen, sondern vor allem auch aus anderen Musik- und Kunstrichtungen. Von Anfang an hat die Rockmusik sich technologische Neuerungen nutzbar gemacht und mit der technischen Entwicklung Schritt gehalten (man denke zum Beispiel an den heutigen Einfluß der Computer-Technik). Bei aller Fortschrittlichkeit bleibt die Rockmusik aufgrund ihrer volksmusikalischen Eigenschaften, dennoch für jeden zugänglich: jeder kann sie verstehen, jeder kann sie erlernen. Dabei ist Rock keine Musik, die nur für Jugendliche relevant ist, was allein schon die inzwischen äußerst zahlreichen Rockmusiker jeden Alters unter Beweis stellen. Es ist vielmehr eine Musik für jeden, der sich ein offenes Ohr für neue Klänge bewahrt hat.


1. Bernward Halbscheffel/Tibor Kneif: "Sachlexikon Rockmusik", Reinbeck 1992, Stichwort: "Rock"
2. Volksmusik: Eine Musikart, die, zumeist von Laien gespielt, mündlich überliefert wird und dabei bewußt oder unbewußt bearbeitet und verändert wird.
3. Bildungsmusik: Bezeichnung der neueren Musikwissenschaft für die Musikrichtung, durch deren Kenntnis man seine Zugehörigkeit zu einer höheren Bildungsschicht definieren kann (im Volksmund oft auch als "Klassik" bezeichnet).