Besinnliches zur Weihnachtszeit
Pur (21.11.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Wenn die Tage länger werden und der Wind um die Häuser pfeift, dann rücken die Menschen wieder ganz eng zusammen und lauschen den Weisen der Gruppe »Pur«. Da erstaunt es auch nicht, wenn einem beim Betreten der Halle statt dem sonst üblichen Bier-und-Zigaretten-Mief der süße Duft von Popcorn und Lebkuchen in die Nase steigt. Es sind erstaunlich viele, die sich in einer Zeit der Irrungen und Wirrungen nach einem kleinen Stückchen Wärme und Geborgenheit sehnen: Gleich zweimal hintereinander spielen »Pur« vor vollem Haus in der riesigen Saarbrücker Messehalle, die mit ihrem äußerst unpersönlichen Ambiente die nicht gerade optimale Kulisse für den Kuschelrock der schwäbischen Megaseller abgibt.

Doch das hindert wohl niemanden daran für zwei Stunden Mitglied der großen »Pur«-Gemeinschaft zu werden, einer Gemeinschaft in der auch Platz ist für die Außenseiter der Gesellschaft: die Alten, die Einsamen und die Verzweifelten. Für jeden von ihnen haben die Jungs von »Pur« einen trostreichen Song parat, den Schmusebär Hartmut Engler mit todernster Mine vorträgt. Wenn jedoch zu Wunderkerzen, großorchestralen Klängen aus dem Sampler und einer wirklich tränendrüsenaktivierenden Melodie Band und Publikumschor »Du hast dein Ende selbst gewählt« anstimmen, dann kann das durchaus Stoff für eine Diskussion über die Grenzen des guten Geschmacks abgeben.

Auch etwas Spaß muß mal sein: In lustigen Verkleidungen werden die Erlebnisse des Spießers »Kowalski« aufs Korn genommen. Außerdem gibt es noch ein Stück über Rechtsradikalismus, das irgendwie echt total betroffen macht. Und endlich hören wir auch die Liebesbekundungen und Komplimente (»Funkelperlenaugen«), die der Liebste noch nie gesagt und die weisen Ratschläge (»Es kommt nur darauf an, daß man sich selbst treu bleibt.«), die der Vater niemals ausgesprochen hat.

Daß »Pur« äußerst clevere Illusionsverkäufer sein könnten, möchte man wohl kaum annehmen, vielmehr nimmt man Engler und Co ohne zu zögern ab, daß sie tatsächlich musizieren für eine bessere Welt: »Stell dir vor, daß Brüder endlich Brüder sind.«.

Eine besinnliche Vorweihnachtszeit!

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Untergang des Abendlandes
Saar Rock History 2 (11.11.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Mit langen Haaren und lärmenden Gitarren waren sie der Schrecken aller Eltern und Lehrer, selbstredend mitverantwortlich für den Untergang des Abendlandes: Die jungen Rock- (bzw. damals noch »Beat«-) Gruppen begannen den Musikmarkt zu erobern. Doch nicht nur England und Amerika waren in den sechziger Jahren Schauplatz der musikalischen Revolution, auch im Saarland schossen die Beat-Combos wie Pilze aus dem Boden.

Daß dieses wichtige Kapitel regionaler Kulturgeschichte nicht in Vergessenheit gerät, haben wir Roland Helm und Norbert Küntzer zu verdanken. Vor einigen Jahren begannen sie die »Saar Rock History« in Form von Ausstellung, Buch und Fernsehsendung zu schreiben. Ein weiterer Bestandteil des »Saar-Rock-History«-Projekts sind Konzerte mit den Musikern von damals, wie am vergangenen Freitag in der St. Ingberter Stadthalle.

Seine einstige Band, die »Starfighters«, hat er zwar nicht mitgebracht, nichtsdestotrotz steht an diesem Abend mit Charlie Gräber eine Ikone der Saar-Rockgeschichte auf der Bühne und präsentiert seine derzeitige Formation »Soulfinger«. Die Ankündigung Gräbers als »Ray Charles des Saarlandes« weißt auf ein bezeichnendes Merkmal der damaligen bundesrepublikanischen Rockmusik hin: Outfit und elektrische Gitarre reichten aus, um dem Auftritt eine gesellschaftliche Dimension zu verleihen, auf rein musikalischer Ebene war allerdings originalgetreues Kopieren der angloamerikanischen Vorbilder angesagt. Und so bietet heute, wo der Rock-Sound längst allgemein akzeptiert ist, eine Band wie »Soulfinger« mit ihren notengetreuen Adaptionen von Sixties-Soul-Klassikern nicht mehr und nicht weniger als äußerst professionelle Tanz- und Unterhaltungsmusik.

Die »Simon & Garfunkel Revival Band« aus Erfurt hat dann mit »Rock History« viel und mit »Saar« eher weniger zu tun. Neben den beiden perfekten Art- und Paul-Clones, sorgt noch ein dritter Mitstreiter an Baß und Keyboard für musikalische Abwechslung.

Daß dann die Veranstaltung doch nicht ganz der »gemütliche Oldie-Abend« wird, den Moderator Roland Helm ankündigte, dafür sorgen »The Snobs« aus Neunkirchen. Mit erfrischendem Dilettantismus zersägt das Quintett unter schrillen Gitarren und stampfenden Drums 60er-Jahre-Heuler von Eric Burdon, »The Who« oder »Rolling Stones« und rettet so tatsächlich noch ein Stückchen der einstigen Rebellen-Attitüde in die neunziger Jahre.

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Hits, Hits, Hits
Saga & John Wetton (30.10.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Früher war alles anders. Früher waren wir jung. Früher gab es noch richtig gute Partys mit richtig guter Musik, nicht dieses »Techno« oder wie das heutzutage heißt. Und es gab die neue Live-LP von Saga. »In Transit« hieß die und da waren genau die Titel drauf, die die Partys zu richtig guten Partys machten: »Humble Stance«, »Wind Him Up«, »You're Not Alone« ...

Und heute? Da spielen doch tatsächlich eben diese Saga in der Saarbrücker Garage. Und einen alten Kollegen haben sie auch mitgebracht: John Wetton, in jenen Tagen mit Asia aktiv (in den siebziger Jahren bei King Crimson und UK), steuerte auch er seinerzeit mit »Heat Of The Moment« sein Schärflein zur richtig guten Party bei. Nur mit einer Gitarre bestückt trägt der Engländer überwiegend Titel aus dem damaligen Asia-Repartoire vor. Und siehe da: die alten Nummern, die bei Asia im keimfreien hochglanzpolierten Bombastsound erstickten, entfalten ganz neue Qualitäten und entpuppen sich als wirklich reizende Songs mit gefällig-ohrwurmigen Melodien.

Bei Saga ist dann wieder alles beim alten: »In Transit« Ton für Ton nachgespielt - hochmelodiöse Gesangslinien, fingerflinke Unisonoläufe und schwelgerische Synthie-Flächen.

Ach ja, eine neue Platte haben die Kanadier natürlich auch aufgenommen: »Generation 13« heißt die, keiner kennt sie und die Band stellt sogar einige Titel daraus vor (erste Überraschung), die sich dann überdies als recht gelungen herausstellen (zweite Überraschung). Zwar lassen die neuen Songs die Ohrwurm-Qualitäten von einst etwas vermissen, reizen aber das Art-Rock-Konzept mit schrägen Taktzahlen, halsbrecherischen Breaks und fließenden Formübergängen noch weiter aus. Doch wer früher die Saarlandhalle ausverkaufte und nun mit der Garage vorlieb nehmen muß, dem bleibt nicht viel Zeit für Experimente und so zollt die Band schon bald wieder dem unausgesprochenen Motto des Abends Tribut, das da heißt: Hits, Hits, Hits.

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Expressive Soul-Eruptionen
Chaka Khan und Frank Nimsgern (28.10.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Zum Schneiden dicke Luft, wichtigtuerische »security guards« und eine viel zu niedrige Bühne waren die unschönen Rahmenbedingungen einer Heimpremiere: Gitarren-Wunderknabe Frank Nimsgern, seines Zeichens »musical director« von Soul-Lady Chaka Khan, stellte in der Saarbrücker »Orleans Billard & Music Hall« zum einen seine aktuelle CD vor und präsentierte zum anderen - als Star des Abends - seine neue Brötchengeberin.

Der Saarbrücker Gitarrist verdingte sich bereits in Berlin als Musical-Komponist, lieferte den Werbe-Soundtrack zu Erzeugnissen saarländischer Braukunst und veröffentlichte vier Alben mit solch illustren Gästen, wie Billy Cobham, Gino Vannelli oder eben Chaka Khan.

Im ersten Teil des Konzertes stand erst einmal Nimsgerns jüngstes Opus »Trust« im Mittelpunkt. Der 26jährige und seine Mitmusiker haben es sich zur Aufgabe gemacht mit fettem halligem Gitarrensound, glockigen E-Piano-Klängen und einem funky Rhythmusfundament den typischen L.A.-Mainstream-Fusion-Sound der achtziger Jahre vor dem Vergessen zu bewahren. Schön, daß gelegentlich jazzig-expressive Soli von Saxophonist Derrick James, Keyboarder Wolfgang Dahlheimer oder Meister Nimsgern selbst Löcher in den allzu flauschigen Klangteppich reißen.

»It's the singer, not the song« - es gibt wohl nur wenige Personen auf die diese Weisheit aus dem fernen Amerika so zutrifft wie auf Chaka Khan. Unterstützt von ihren Geschwistern Taka Boom und Marc Stevens (Chorgesang) kulminiert die Sängerin von wohligen Gospel-Klängen über rauchige Jazz-Vocals bis zu expressiven Soul-Eruptionen alle Facetten afroamerikanischer Sangestradition in sich: eine Stimme, wie man sie nicht oft auf hiesigen Bühnen zu hören bekommt. Die stets partytauglichen Funknummern, die die Band im bereits bekannten Sound ihres »musical directors« präsentiert, geraten dabei fast zur Nebensache. Ein von Khan vorgesungenes Telefonbuch würde wohl ebenso jedem die Schauer über den Rücken jagen.

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Sturzbach von Einfällen
John Mc Laughlin (25.10.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Lieber Herr Mc Laughlin,
wir wissen doch inzwischen wirklich alle, daß Sie gaaanz schnell Gitarre spielen können, so wie sonst keiner. Was sollen also diese eingestreuten hektischen Hochgeschwindigkeits-Tonleiterübungen?

Nun, gewisse Mätzchen sind anscheinend im Jazz-Rock unausrottbar - Mätzchen die John Mc Laughlin keinesfalls nötig hätte. Der britische Gitarrist betätigte sich durch seine Mitwirkung beim legendären Miles-Davis-Album »Bitches Brew« quasi als Geburtshelfer des Jazz-Rock und lotete in den kommenden Jahrzehnten - etwa durch die Integration fernöstlicher Folklore oder Experimente mit dem Gitarrensynthesizer - neue musikalische Möglichkeiten aus.

In der ausverkauften St. Ingberter Stadthalle trat der 53-jährige nun mit einer Minimalbesetzung auf, die zum einen den Blick auf das Wesentliche lenkt, zum anderen den Musikern größtmögliche Freiheiten läßt. Folgerichtig taufte Mc Laughlin seine Band »The Free Spirits«: Drummer Dennis Chambers und Organist Joey DeFrancesco sind dabei ihrem Bandleader sowohl musikalisch gleichberechtigt als auch spieltechnisch ebenbürtig.

Vom ersten Augenblick an lassen die drei Musiker einen Sturzbach von melodischen und rhythmischen Einfällen über das Publikum ergießen, der nur selten Zeit zum Atem holen läßt. Kaum glaubt man sich etablierende Strukturen zu hören, sind Mc Laughlin, Chambers und DeFrancesco schon einen Schritt weiter. Verschnaufpause schafft ein Standard, wie »'Round Midnight«, der dann auch tatsächlich ein wenig hausbacken ausfällt.

Die Band kreiert einen Sound, der weder aktuelle Trends und Moden berücksichtigt, noch irgendeine Siebziger-Jahre-Nostalgie-Stimmung aufkommen läßt, wozu DeFrancescos klassische Hammond-Orgel ebenso ihren Beitrag leistet, wie Mc Laughlins schlanker effektloser Gitarrensound. Man könnte fast von »Zeitlosigkeit« sprechen, währen da nicht - als einzige Reminiszenz an den ansonsten meilenweit entfernt scheinenden Mainstream - die gelegentlichen Bedürfnisse Mc Laughlins (und auch Chambers') mit artistischen Instrumentalpassagen zur zirzensischen Volksbelustigung beitragen zu wollen.

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Übererfülltes Plansoll
Die Puhdys, Konzertbesprechung und Gespräch (21.10.95)

Autor: Zippo Zimmermann

»Nationalpreis der DDR zweiter Klasse für Kunst und Literatur, verliehen für die maßstabsetzenden Leistungen bei der Schaffung und Interpretation national und international massenwirksamer Rockmusik der DDR« heißt es bei den »Puhdys«, wo andere sich mit goldenen Schallplatten brüsten. Letztere können die Ost-Rocker natürlich auch vorweisen, übererfüllten sie doch fast zwanzig Jahre lang das Plansoll und verkauften mehr als 14 Millionen Platten in Ost und West.

Letztes Wochenende war in der Stadthalle Wadern also eines der - neben dem grünen Pfeil - letzen Relikte aus der untergegangenen DDR zu besichtigen. Ob sie sich wohl auch selbst so fühlten?

»Im positiven Sinne schon.« meint Keyboarder Peter Meyer »Nachdem die Leute sich alles angeguckt und angehört haben, was es bei uns nicht gab, haben sie nun mitgekriegt, daß unsere Musik doch nicht so schlecht war.«

Mehr noch als Meyers quäkender Synthesizer aus dem VEB Instrumententechnik Leipzig zeichnen die leicht altertümlich wirkenden, symbolüberfrachteten Texte das Quintett als echtes DDR-Produkt aus. Ab 1971 ließen sich die »Puhdys« ihre Liedtexte von renommierten DDR-Literaten schreiben und gehörten damit zu den ersten Bands, die Rockmusik mit deutschen Texten spielten. Heute eigentlich kaum zu glauben, daß Zeilen wie »Jegliches hat seine Zeit/Steine sammeln Steine verstreu'n« von einem Ulrich Plentzdorf stammen. Inzwischen schmieden sich die Musiker ihre Verse selber zusammen, nach wie vor stilgetreu, nur vielleicht noch einen Tick naiver: »Was bleibt sind Freunde im Leben«, »Manche haben vergessen, daß sie einst im Boote der Jugend gesessen.« Um so erstaunlicher die Aussage Meyers: »Zu uns kommen Leute, die sich für anspruchsvolle Texte interessieren.«

Als musikalische Virtuosen kann man die »Puhdys « nun auch nicht unbedingt bezeichnen: die Musik rumpelt und holpert schwerfällig von der Bühne, doch gerade die älteren Stücke können häufig griffige Melodien vorweisen. Eine Tatsache, die die Band ganz nüchtern sieht: »Wir haben nie gesagt, wir wollen jetzt mit aller Gewalt unsere neue Platte vorstellen und die Leute haben sich unten gelangweilt.« Und langweilen sich nicht die Musiker, wenn sie nach über 2600 Konzerten immer wieder die gleichen Stücke spielen müssen? »Es ist ja nicht mehr wie früher, da kam das schon mal vor. Heute spielen wir hauptsächlich an Wochenenden und man wird immer wieder neu motiviert wenn man mal ein paar Tage Pause hat. Vor allem, wenn man dann sieht, wie das Publikum die Texte von vorne bis hinten mitsingt.«

»Einerseits liedhaft, andererseits tanzbar entsprechen die meisten Puhdys-Songs Forderungen sozialistischer Gebrauchskunst.« schrieb dereinst Olaf Leitner in »Rockszene DDR«. Und so unterschiedlich sind die »Forderungen kapitalistischer Gebrauchskunst« ja auch nicht.

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Stoische Bühnenbeamte
Barclay James Harvest (3.10.95)

Autor: Zippo Zimmermann

»Eine rechtzeitige Kartenreservierung wird dringend empfohlen.« tönt vollmundig das Presseinfo, doch die Triumphzüge von »Barclay James Harvest«, die 1980 im Berliner Free-Concert vor 130 000 Zuschauern gipfelten, sind lange vorbei. Mehr Platz und bessere Sicht als damals, also am Tag der Einheit in der St. Wendeler Sporthalle.

Nach den Deutschrockern von »Zartbitter«, die sich nicht ohne Erfolg, als saarländische Antwort auf »Pur« zu profilieren suchen, gehört die Bühne dann für den Rest des Abends der Band aus Manchester. Emotionslos reihen »Barclay James Harvest« ihre von allen Ecken und Kanten befreiten Balladen aneinander, deren aufdringliche Wohlgefälligkeit Chris de Burgh dagegen als Heavy-Rocker anmuten läßt. Verstärkt wird das Trio durch zwei Keyboarder, die vorwiegend synthetische Streicherteppiche und süßliche Flötenimitationen aus ihren Instrumenten tönen lassen. »Musik zum Träumen« nennt man sowas wohl. Zwar präsentiert die Band auch ein paar wirklich nette Schlager, wie »Life is for Living« oder »Hymn«, doch die »BJH«-Hits sind viel zu dünn gesät, um die unendlich zähfließenden Nichtigkeiten dazwischen als kleinen Ausreißer abzutun. Wirklich schlecht sind »Barclay James Harvest« natürlich nicht; dafür sind sie erstens viel zu professionell und zweitens durchaus fähig die Distanz zu Kitsch und billigem Nepp zu wahren: Keine Gefühle sind immer noch besser als falsche Gefühle.

Zum Glück haben die sich zu ihren Jugendsünden bekennenden Dreißiger im Publikum viel gute Laune von zu Hause mitgebracht. Denn Meister der Show kann man Barclay James Harvest nun auch nicht nennen. Sie erweisen sich vielmehr als stoische Bühnenbeamte, die 90 Minuten lang Dienst nach Vorschrift verrichten. »Unsere Musik ist nichtssagend - wieso sollen wir dann was sagen?« scheinen sich die Musiker zu denken, und so ist ein gelegentlich dahingenuscheltes »Thänkyu« einziges Indiz dafür, daß die Band ihres Publikums überhaupt gewahr wurde.

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Teenie-Glück aus der Retorte
Caught In The Act (23.8.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Da war es doch schon um einiges leichter Mami und Papi zu einem Ausflug auf den Saarlouiser »Emmes« zu überreden, als sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, mitten in der Woche zur St. Wendeler Sporthalle zu kutschieren. Und so kam es, daß anstatt mehrerer tausend in Saarlouis, diesmal nur die wenigen hundert Teenies mit den nachgiebigsten Eltern ihre Lieblinge von »Caught In The Act« ein weiteres mal anhimmeln durften.

Handbemalte T-Shirts und Transparente zeugen von liebevoller Vorbereitung - klar, daß man da schon mal ungehalten werden kann, wenn statt der Boys aus Holland erst mal die siebenköpfige Band »Open Daily« mit Mainstream-Soul das Warten aufs Christkind unnötig verlängert.

Doch endlich ist es soweit: Nach einem bombastischen Intro hüpfen vier Jungens um die zwanzig ins Rampenlicht. Für ihre sauber eingeprobten Formationstänze haben »Caught In The Act« viel Raum: Keine Musikinstrumente verstellen den Platz auf der Bühne; wozu gibt es schließlich Tonbänder? Einzig der Solo-Gesang entspringt tatsächlich den Kehlen der Jungs.

Derweil ist das junge Publikum (fast ausnahmslos Mädchen) kaum noch zu halten: Die Luft ist erfüllt von spitzen Begeisterungsschreien und fliegenden Plüschtieren. Doch die skeptischen Blicke der Eltern im hinteren Teil der Halle sind unbegründet: »Caught In The Act« sind alles saubere Burschen. Sex? Pfui! Drogen? Igitt! Umsturz des spätkapitalistischen Gesellschaftssystems? Bäh! Solche ekligen Dinge haben bei »Caught In The Act« nichts verloren. Da heißt es schon eher »Love is here, love is there, love is everywhere«. Keine Gefahr also für unsere noch formbare Jugend.

Neu ist das alles nicht: Schon 1965 blickte mit den amerikanischen »Monkees« die erste nach Teenager-Wünschen modellierte Band das Licht der Welt. In den siebziger Jahren war gar das Saarland (mit Frank Farian) eine der Hauptproduktionsstätten für Teenie-Glück aus der Retorte. Und John, Paul, George und Ringo sorgten schon vor 30 Jahren für Hysterie unter den weiblichen Fans. Daß zwischen den »Beatles« und »Caught In The Act« musikalische Welten liegen, braucht dabei wohl kaum erwähnt zu werden. Schade ist eigentlich nur, daß die Hit-Produzenten so wenig von der heutigen Jugend halten: Auch bei nicht ganz so billiger Musik, würden die Kinder sicherlich ihren Idolen treu bleiben.

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Lieber augenzwinkernd
Gespräch mit Pe Werner (6.7.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Kreischende Kinder drängen gegen die Absperrung und versuchen ein Autogramm oder gar eine Berührung von Disco-Stars wie »La Bouche« oder »Captain Hollywood« zu ergattern. Derweil spaziert »Rock-Oma« (Selbsteinschätzung) Pe Werner gänzlich unbeachtet an der tobenden Menge vorbei. Den Dauergast auf saarländischen Bühnen hat es diesmal rätselhafterweise auf das »Schülerferienfest« - das alljährliche Teenie-Spektakel des Saarländischen Rundfunks - verschlagen. Und so findet die Sängerin aus dem Odenwald die Zeit, gänzlich ungestört von aufdringlichen Fans, im Gespräch mit unserer Zeitung unter anderem drängenden Fragen, wie »Schlager oder Nicht-Schlager?« nachzugehen.

SZ: Das ist ja heute nicht unbedingt deine übliche Klientel?
Werner: Das fürchte ich auch (lacht). Das könnten ja unsere Kinder sein und unter der Rubrik »Kinderlieder« war ich bisher noch nicht tätig. Aber lustigerweise ist es ja so, daß »Kribbeln im Bauch« '91 so erfolgreich war und auch von Kindern und Jugendlichen gemocht wurde. 12/13-jährige sind zu mir gekommen sind und haben gesagt (Werner mit Pieps-Stimme:) »Das Gefühl kenn' ich auch«. Deshalb glaub' ich nicht, daß ich da weit davon entfernt bin. Aber dieser Trend, Dance, Disco, Techno, da fall' ich heute völlig aus dem Rahmen und ich rechne auch damit, daß man mit Eiern und Tomaten nach uns wirft (lacht).
SZ: Für viele bist du ja »die mit dem Kribbeln im Bauch«. Wär' es dir lieber wenn andere, dir persönlich vielleicht wichtigere, Songs im Zentrum der Aufmerksamkeit stünden oder bist du eher stolz darauf einen solchen Gassenhauer gelandet zu haben?
Werner: Auf der einen Seite ist es toll, wenn es mal gelingt, daß man einen »Hit« schreibt, damit identifiziert wird und die Leute auch sagen »Das ist ja nun ein Lied mit dem gewissen bißchen Anspruch im Text«. Auf der anderen Seite ist es einfach schade, wenn man als Künstler nur darauf reduziert wird. Ich verstehe mich eigentlich nicht als Single-Produzentin, sondern mehr als »Album-Künstlerin«. Es gibt andere Lieder, die nie im Radio laufen, wo aber die Leute zu mir kommen und sagen »Mensch das issen tolles Stück, das spricht uns an.« und das ist mir ganz persönlich wichtiger als ein Verkaufsschlager.
SZ: Ich selbst hab' es mal versuchsweise mit »Unterhaltsamer Schlagerabend mit dem gewissen Plus an Niveau« beschrieben; wie würdest du selbst das beschreiben, was du auf der Bühne so machst?
Werner: Ach du bist das! Was ist denn Reinhardt May für dich? Ist das Schlager?
SZ: Reinhard May ist ja der Fall des klassischen »Liedermachers«.
Werner: Aha und siehst du, so würd' ich mich auch gerne sehen. Im Deutschen gib es ja diesen Begriff »Singer/Songwriter« nicht. Eigentlich seh' ich mich in der Tradition der amerikanischen Singer/Songwriter, wie Carole King, Joni Mitchel oder James Taylor, nur daß ich das eben auf Deutsch mache. Die Musik ist dabei eher international.
SZ: Ich hab' den Eindruck, daß du trotzdem auch mit dem Schlager kokettierst, wenn du zum Beispiel Stücke wie »Ich will keine Schokolade« oder »Nehm' Se 'n Alten« singst.
Werner: Aber das waren doch noch Schlager, richtig dufte Songs! Das war die Pop-Musik von damals. Und heute ist das, was z. B. »Pur« macht auch populäre Musik: Schlager, Gassenhauer. Aber wenn du zu mir sagst ich mach' Schlager, dann denk' ich du ordnest mich ein neben Chris Roberts, Patrick Lindner und den »Herzbuben« und da seh' ich mich einfach nicht. Wenn du aber sagst »Pur« ist Schlager und »Ich will keine Schokolade« ist Schlager, dann ist »Kribbeln im Bauch« auch Schlager.
SZ: Du singst ja, nicht nur im gleichnamigen Lied, über den »Otto«. Glaubst du die zahlreichen »Ottos« im Publikum bekommen das überhaupt mit, daß sie damit gemeint sind?
Werner: Glaub' ich nicht. Das fällt mir auch in meinem Kabarettprogramm auf, wenn da z.B. ein Lied zum Thema »Nachbarn« kommt, da denkt man »Ich nit; das is' mein Nachbar aber ich sowieso nit«. Ich glaub', das ist 'ne Eigenschaft der Menschen, daß man sich nicht identifiziert.
SZ: Wärst du angesichts dessen gerne auch mal ein bißchen bissiger?
Werner: Bissig sein ist okay, aber ich beziehe mich eigentlich immer ein in meine Sachen. Ich halte nichts von der Abteilung Zeigefinger-Musik. Ich mag's halt eben lieber augenzwinkernd. Lustigerweise war ja das Stück »Otto« beim Bayerische Rundfunk und beim Norddeutschen Rundfunk auf der schwarzen Liste. »Wünsch' dir was beim Rubbelspaß« und »Komm, komm Telekom«, das war denen schon zuviel an Bissigkeit.

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Zum Tode von Rory Gallagher
Nachruf (14.6.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Er war der erste mit dem Prädikat »Antistar«, der trotz großer Popularität mit dem ganzen Rummel und den Vermarktungsstrategien des Musikbusiness nichts zu tun haben wollte, dem nur eins wichtig war: Musik machen.

»Ich will immer noch auf der Bühne stehen, wenn ich einmal 40 oder 50 bin, und das Publikum zufriedenstellen können.« hat Rory Gallagher vor vielen Jahren einmal gesagt. Seinem Vorsatz ist er bis zu seinem Tode treu geblieben. Der irische Gitarrist und Sänger starb am Mittwoch im Alter von 46 Jahren an Komplikationen nach einer Lebertransplantation in einem Londoner Krankenhaus.

Schon als sechsjähriger bekam der kleine Rory eine Gitarre geschenkt, um dann bereits als fünfzehnjähriges Bürschlein mit der »Fontana Showband« durch Europa zu tingeln. 1966 gründete Gallagher dann seine erste eigene Band, das Trio »The Taste«, und widmete sich fortan nur noch der Pflege des Blues-Rocks. Nach zwei wenig erfolgreichen Jahren und einigen Umbesetzungen gelang dann 1968 der Durchbruch. Rory Gallagher wurde zum Popstar einer neuen Art, der inmitten von Flower-Power- und Drogen-Euphorie die Welt des Alltäglichen repräsentierte.

Nachdem er bei Konzerten in endlosen Soloausflügen seine beiden Mitmusiker zu Statisten degradierte, firmierte er in den siebziger Jahren folgerichtig nur noch unter eigenem Namen. Seiner Popularität tat dies indes keinen Abbruch - im Gegenteil: Neben Eric Clapton galt Gallagher als der Gitarrenheld, der die traditionelle Blues-Musik mit Virtuosität und Einfallsreichtum aufpolierte und mit dem Doppelalbum »Irish-Tour '74« ein eindrucksvolles Vermächtnis seiner Bühnenpräsenz hinterließ. Dennoch sei nicht verschwiegen, daß musikalische Innovation nie die Sache des Iren war. »Aber ich versuche nur das zu wiederholen, was gut ist.« bemerkte dazu Gallagher in erfrischendem Konservatismus.

In den Achtzigern wurde es dann etwas ruhiger um den Gitarristen, der jetzt nur noch weitgehend auf seine angestammte Anhängerschaft baute. Beim St. Wendeler Open Air 1993 konnten die saarländischen Fans ein letztes Mal erleben, wie Gallagher und Band ein Blues-Rock-Feuerwerk abbrannten.

Rory Gallagher hatte schon vor Jahrzehnten die Trendverweigerung der Grunge-Generation um »Nirvana« und »Pearl Jam« vorweggenommen. Doch schon damals wurde klar, daß ab einer bestimmten Marktbedeutung des Musikers auch ein Nicht-Image ein Image ist: Was hätten die Fans wohl gesagt, wenn Gallagher statt mit seiner verschrammten Uralt-Gitarre, mit einem im Scheinwerferlicht funkelnden fabrikneuen Modell auf der Bühne erschienen wäre?

Dennoch: Was bleibt ist die Erinnerung an einen Popmusiker, der konsequent seine Musik in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellte ohne sich irgendeinem Marktdiktat zu beugen.

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Röhren und röcheln, was die Kehle hergibt
Joe Cocker (3.6.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Woodstock 1969. Es war neu, es war einzigartig: ein Weißer, der mit der gleichen Intensität und Hingabe den Blues sang, wie es sonst nur Schwarze tun. Gespannt lauschten die Hippies, wie Joe Cocker dem Beatles-Song »With A Little Help From My Friends« eine ungeahnte emotionale Tiefe verleiht. Cocker, der nur Stücke nachspielt oder sich auf den fülligen Leib schreiben läßt, hatte diesen Titel praktisch zu seinem eigenen gemacht, zum prototypischen Cocker-Song.

Saarbrücken 1995. Einzigartig ist Joe Cocker schon lange nicht mehr in einer Zeit da landauf landab ungezählte Cocker-Kopien röhren und röcheln, was die Kehle hergibt. Heute ist Joe Cocker eher eine willkommene Alternative für all jene, die den Anschluß an Grunge, Techno und Hip-Hop schon lange verpaßt haben, sich aber ebensowenig mit billigem Mainstream-Kommerz zufriedengeben wollen. Und so bevölkern Schnauzer und Dauerwelle statt Langmähne und Joint mehrheitlich die Saarbrücker Saarlandhalle.

Ebenso wurde die Spelunkenband, die noch zu »Mad Dogs And Englishmen«-Zeiten rauhen Charme versprühte, längst durch eine Truppe handwerklich perfekter Technokraten ersetzt, die den CD-verwöhnten Ohren der Zuschauer den glasklaren Sound bieten, den sie für den deftigen Eintrittspreis von 50 Mark erwarten dürfen.

Auch sonst werden die Erwartungen nicht enttäuscht: Da gibt es röhrende Tenor-Sax-Soli, rockig krachende Gitarren und die farbigen Girls mit ihren »uhuhus«. Wir hören zünftigen Soul- und Bluesrock ebenso wie herrlich schmalzige Balladen, die Cocker mit seiner Reibeisenstimme gerade noch so vor dem Fall in die Abgründe des tiefsten Kitschs bewahrt. Und natürlich die »Greatest Hits« - beliebt, bewährt und tausendmal gehört: »Feelin' Allright«, »The Letter«, »Up Where We Belong«, »Unchain My Heart«, »With A Little Help« ...

Was es nicht gibt: Lichteffekte, Showelemente, alberne Mitsingspielchen - nur Musik: ultrakonservativ, aber alles, was ein Cocker-Konzert braucht.

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Mal gucken, was aus dem guten Klaus geworden ist
Klaus Lage (14.5.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Saxophon-Soli sind out, Drum-Soli sind out. Nickelbrille, Vollbart und Bierbauch: out. Mitte vierzig sein: out. Und Sozialdemokraten-Rock? »Out und vorbei, out und vergessen.«

Zumindest letzteres scheint im Falle Klaus Lage dann doch nicht zuzutreffen, gab es doch erstaunlich viele, die sich noch an die achtziger Jahre und Hits wie »Tausendmal berührt« oder »Faust auf Faust« erinnerten und sich vergangenen Sonntag scharenweise auf den Weg in die Saarbrücker »Kulturfabrik« machten. Mal gucken, was aus dem guten Klaus geworden ist.

Noch immer singt der bekennende Trendverweigerer Lieder über »Verführer und Verführte, Opfer und Täter, arm und reich«. Hier ein wenig Zivilisationskritik (»kaum geboren schon verkabelt«), dort ein paar Worte gegen Ausländerfeindlichkeit, garniert mit den obligatorischen pseudo-orientalischen Melodieschnipsel (»Istanbul«). Diffuse Kritik richtet sich gegen »die da oben«, so daß sich niemand verletzt, betroffen, angesprochen fühlt. Dazwischen: »Halt mich fest«, »Zurück zu dir« - Gebrauchslyrik, die erfreulicherweise ohne Platitüden oder bedeutungsschwangere Schein-Metaphern auskommt.

Die Musiker spielen derweil, wie vor zehn Jahren, ihren braven Geradeaus-Rock. Nur daß die zündenden Refrains von damals inzwischen abhanden gekommen sind. Lage und Band pflegen das Mittelmaß: kein Ausbrechen aus den Regeln, kein Zuviel an Emotion - aber auch: keine Banalitäten, keine hohlen Phrasen, niemals unter Niveau.

Doch dann kommt doch noch eine kleine Überraschung: die frech-fröhliche deutsche Version des »Beatles«-Klassikers »I am the Walrus«. Und als hätte dieser Song der »Fab Four« die Musiker daran erinnert, wie intelligent, witzig und phantasievoll Pop-Musik sein kann, schieben sie mit der emotionsgeladenen Midtempo-Nummer »Der Sänger« und der genialen Blues-Parodie »Wochenend'« gleich zwei weitere Highlights hinterher.

Zum Schluß gibt es dann noch, zur Freude des bestens gelaunten Publikums, die alten Lage-Gassenhauer. Und so geht wieder einmal ein »mega-outer« Konzertabend seinem Ende zu.

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Wie kann man nur normal sein?
Tom Gerhardt (8.5.95)

Autor: Zippo Zimmermann

»Wenn der Kuchen redet, haben die Krümel Pause.« Der pferdeschwanzgeschmückte Rausschmeißer, aus dessen Munde dieses selbstbewußte Statement ertönt, ist nur eine von den zahlreichen Rollen, in die Tom Gerhardt an diesem Abend in der vollbesetzten Saarbrücker Kongreßhalle schlüpft.

»Voll pervers« - so nennt der Kölner Komiker gar trefflich sein neues Programm, in dem er uns durch eine Erotik-Show führt in der in loser Programmfolge die schrillsten Gestalten auftreten, deren gemeinsames Credo lautet: »Wie kann man nur normal sein? Is' doch vollkommen bescheuert sowas!« Da gibt es den bierbäuchigen Vorsitzenden der »Freunde des Sextourismus 1994 e. V.«, der von seinem völkerverbindenden Tun kündet und die Domina, die sich freut: »Kannst den Typen die Fresse polieren und kriegst noch Geld dafür«; während die einzige Sorge des ultraspießigen Hausmeisters ist, daß der heißgeliebte Dackel nicht in Kontakt mit diesen »dreckigen Elementen« kommt. Doch zu spät: Das gute Tier konsumiert inzwischen schon Videos à la »Junge Katzen bis aufs Blut gequält«. Derweil entdeckt Rotzlöffel und Mopedfan Tommie, Gerhardts populärste Figur, den Cyber-Sex und ist begeistert: »Control - F3 und die macht voll die Beine breit.«.

Tom Gerhardt zeigt sich dabei als Komiker, wie er im Buche steht: einmal kurz das Gesicht verzogen und schon hat er die Lacher auf seiner Seite. Wenn dann auch noch unschuldige Opfer aus der ersten Reihe in die Show mit einbezogen werden, ist das Publikum kaum mehr zu halten. Unterstützung findet Gerhardt durch drei »Assistenz-Schlampen«, die als Hupf-Girls die Verkleidungspausen überbrücken.

Wer unbedingt will, kann aus dem Programm, das Gerhardt zusammen mit seinem Co-Autor und Regisseur Joachim Lang auf die Beine gestellt hat, sicherlich eine Kritik an der herrschenden Doppelmoral im Zeichen zunehmender Kommerzialisierung der Sexualität oder ähnliches herauslesen, für die Mehrheit der Zuschauer war es jedoch einfach nicht mehr und nicht weniger als ein riesengroßer Klamauk.

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Ohrenbetäubende Soundlawine
Dave Stewart (30.4.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Mit dem Duo »Eurythmics« lieferte er mit artifiziellem Soul-Pop überaus erfolgreich den Soundtrack zu den coolen Achtzigern, machte als formidabler Videoregisseur von sich reden und entstieg durch seine Zusammenarbeit mit Songwriter-Legende Bob Dylan gar den Niederungen des schnöden Schlager-Kommerz. Nun ist Dave Stewart, diesmal ohne seine langjährige musikalische Partnerin Annie Lennox, wieder auf Konzerttournee und machte dabei auch in der eher mäßig besuchten Saarbrücker Kulturfabrik station.

Nach einer ärgerlichen, dem Getränkeumsatz jedoch ungemein förderlichen Verspätung von exakt 60 Minuten eröffnet zunächst der Brite Terry Hall das Konzert. Hall und Band überzeugen mit einfach gestrickten, gleichwohl stets hochmelodiösen Pop-Songs, die das klassische Dreiminuten-Format wieder aufleben lassen.

Ganz anders dann Dave Stewart: Angeführt von brutalem Schlagzeugdonnern rollt eine ohrenbetäubende Soundlawine auf die Zuschauer zu, während auf den zahlreichen Fernsehern, die wie dereinst bei U2's »Zoo TV«-Tour die Bühne dekorieren, hektisch bunte Bilder flimmern. Doch hört man etwas genauer hin, erkennt man schnell, daß hinter der bombastischen Klangfassade, die Stewart mit seiner achtköpfigen Band da errichtet, oft nicht mehr - aber auch nicht weniger - als einfache, doch bei weitem nicht simple, Popsongs stecken.

Am besten sind Stewart und Band dann, wenn sie, wie im Radio-Hit »Your Heart is Made of Stone«, ihre Songs nicht künstlich zu etwas aufblasen wollen, was sie gar nicht sind, sondern liebevoll mit musikalischen Farbtupfern, wie gospeligen Background-Chören, lyrischen Saxophon-Soli oder feinnervigen Akustik-Gitarrenlinien, anreichern. So ist wohl eines der Highlights des Konzerts eine spröde, ukulelenbegleitete Minimal-Version des »Eurythmics«-Gassenhauers »Sweet Dreams«: Weniger ist eben doch manchmal mehr.

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Lärmendes Inferno
Jeff Healey Band (14.4.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Traurig, traurig, wenn ein Mensch schon in so jungen Jahren kurz vor der absoluten Taubheit steht - ein Schicksal, daß dem Tonmischer des Jeff-Healey-Konzerts in Hüttigweiler widerfahren sein muß; anders läßt sich jedenfalls nicht erklären, warum der Mann am Mischpult alle Regler zum Anschlag drehte und so zunächst einmal den Auftritt des im Vorprogramm agierenden Chris Duarte und seiner Band zum lärmenden Inferno geriet, das kaum erahnen ließ, daß da auf der Bühne gekonnter Blues-Rock dargeboten wurde.

Beim immer noch übertrieben lauten Auftritt der Jeff-Healey-Band ließen sich dann immerhin schon musikalische Strukturen ausmachen. Das Markenzeichen des kanadischen Gitarristen ist seine ungewöhnliche Spieltechnik: die Gitarre liegt auf einem speziellen Stativ flach vor ihm, wobei die Saiten senkrecht von oben gegriffen werden. Diese Technik ermöglicht Healey zum einen alle fünf Finger einzusetzen und zum anderen schnelle Sprünge über mehrere Oktaven hinweg zu realisieren. Ein Vergleich mit Jimi Hendrix scheint da keinesfalls weit hergeholt. Doch der legendäre Saitenzauberer hatte nicht nur neue Spieltechniken, sondern auch neue Ideen zu bieten. Im Gegensatz dazu wirkten Jeff Healeys Eigenkompositionen der letzen Jahre immer etwas hausbacken. Folgerichtig setzt der Gitarrist und Sänger seinen Programmschwerpunkt auf Fremdmaterial, das er mit den gelungensten seiner eigenen Stücke mischt, denen der schon in frühester Jugend erblindete Healey oft in schwarzhumoriger Weise Titel wie »See the Light« oder »Angel Eyes« gibt.

Mit Vorliebe adaptiert die Jeff-Healy-Band Rock- und Bluesgassenhauer von Doors, Beatles oder Hendrix, die zu einer Zeit populär waren, als Klein-Jeff noch den Sandkasten der Rock-Gitarre vorzog. Diese werden in einem harten und schnörkellosen Sound interpretiert, ohne ihnen jedoch neue Facetten abgewinnen zu wollen.

Die große Stärke der Band ist ihre ungeheure Dynamik: In lang angelegten Steigerungsbögen transformieren lässig heruntergespielte Blues-Figuren zu explosiven Hard-Rock-Eruptionen. Dabei dient erfreulicherweise Healeys unglaubliche Virtuosität immer nur als Mittel zum Zweck.

Doch trotz aller musikalischen Fähigkeiten der Jeff-Healey-Band bleibt jedoch das betrübliche Fazit: Jeff-Healey-Konzerte gefährden Ihre Gesundheit.

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Ich sammele Sprachbilder
Pe Werner (23.2.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Weiberfastnacht mit »Weibsbild« Pe Werner auf der Bühne: nun gut, das paßt ja. Doch bevor Werner und Band mit eben diesem Hit loslegen, präsentieren sich in der knallvollen Saarbrücker »Garage« zunächst die »Cheer Darlings«, zwei reizende Damen aus New York und London mit hübschen Folk-Songs, lieblichen zweistimmigen Gesängen und frech-emanzipierten Texten - ein netter Konzertauftakt.

»Ich bau auf deine Trospflastersteine«, »Du machst Tränen zu Salz in der Suppe«: Klar, Pe Werner macht Musik fürs Volk. Doch daß man dabei auch ohne sprachliche Platitüden auskommen, kann stellt sie jetzt schon seit einigen Jahren unter Beweis. »Ich sammele Sprachbilder.« Manchmal mit sichtlicher Mühe, oft aber auch mit poetischer Leichtigkeit umschifft sie abgedroschene Phrasen und ausgeleierte Metaphern. Schade, daß dies bei den musikalischen Beiträgen keineswegs immer gelingt. Prompt wird alles geliefert, was man von einem zünftigen Mainstream-Rock-Konzert erwartet: abgeschmackte Blues-Rock-Titel mit röhrenden Tenor-Sax-Soli im Clarence-Clemons-Memorial-Stil fehlen ebensowenig wie gefühlsduselige Piano-Balladen zum mitschunkeln. Aber auch kleine A-Capella Zwischenspiele oder Swing-Einlagen ertönen aus den mächtigen Lautsprecherboxen der »Garage«. Gleich sieben Musiker und Musikerinnen (ja, auch die Quote stimmt bei Frau Werner) tummeln sich neben der Hauptakteurin auf der mit Tüchern liebevoll dekorierten Bühne und demonstrieren bei praktisch allen Titeln lässig ihre Könnerschaft. Auch Pe Werner selbst weist immer wieder mit gelegentlichen stimmakrobatischen Kunststückchen auf ihr gesangliches Talent hin.

Zwischen den Musikstücken gibt die Odenwälderin immer wieder ein paar mehr oder weniger lustige Wortspiele und kleinere Späße zum Besten: »Susanne bringt jeden Abend ihre leere Schnapsflasche in den Container« (Tä-tä, tä-tä! Narrhalla-Marsch!). Ihre kabarettistischen Einlagen sind nie bissig oder hämisch, höchstens dezent spöttisch. Im Gegensatz zu ihren Kabarett-Kollegen, hat sie jedoch den besungenen »Otto Normal« tatsächlich im Publikum sitzen, was dem Ganzen dann doch eine pikante Note verleiht.

Die Zuhörer hatten an diesem Abend jedenfalls keinen Grund in den Werner-Hit »Ich will mein Geld zurück« einzustimmen, erlebten sie doch einen unterhaltsamen Schlagerabend mit dem gewissen Plus an Niveau.

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Jenseits von Gut und Böse
Chris Barber Jazz & Blues Band (18.2.95)

Autor: Zippo Zimmermann

»Hallo Chris, wir sind mal wieder zu deinem Konzert gekommen. Das letzte mal 1954 war's ja ganz gut gewesen.« So wird Mr. Barber, laut eigener Aussage, immer wieder bei seinen Auftritten begrüßt.

Gerne lästert der Musikkritiker ja über Musiker, die seit Jahrzehnten das gleiche Programm spielen. Wie aber will man jemanden beurteilen, der mit seiner Musik schon vor vierzig Jahren hoffnungslos der Zeit hinterherhinkte? Chris Barber und seine »Jazz & Blues Band« haben sich mit ihrem Old-Time-Jazz inzwischen längst in eine Sphäre jenseits von Gut und Böse katapultiert. Doch während anerkannte Größen des Genres oftmals vor einer Handvoll Zuschauer in stickigen Jazzkellern konzertieren, kann Chris Barber seinen Blick wohlgefällig über die gefüllten Publikumsreihen der Saarbrücker »Garage« gleiten lassen. Der Brite führt uns zusammen mit seiner siebenköpfigen Band zurück zu den Anfängen des Jazz, zu New Orleans und Dixieland. Und siehe da: bei aller Eingängigkeit dieser Musik lassen pfiffige Arrangements, die erst viel später im Jazz wieder aufgegriffenen polyphonen Strukturen und vor allem das traumhafte Zusammenspiel der Instrumentalisten aufhorchen.

Überhaupt fällt auf, das die »Chris Barber Jazz & Blues Band« nicht nur so heißt, sondern auch tatsächlich eine Band ist. Klar, daß jeder der Musiker im Laufe des Abends auch mal seinen großen Auftritt hat, doch ansonsten steht der Gruppen-Sound im Vordergrund. Selbst Namensgeber Barber ist da nur primus inter pares. Niemals hört die Band auf zu swingen; ob schwermütiger Blues oder überschäumende Kollektiv-Improvisation: der Puls der Musik ist stets präsent.

Trotz aller Antiquiertheit, zeigen sich die ganz im schwarzen Anzug gewandeten Musiker keineswegs als orthodoxe Traditionalisten: Der Dixie-Klassiker »That's a Plenty« wird durch ein Solo im Be-Bop-Stil angereichert, Gitarrist Roger Hill überrascht mit knalligen Rhythm'n'Blues-Improvisationen und die Band musiziert auch schon mal in Quartett oder Duo-Besetzung. Neben bekannten Standards, pickt sich die Combo auch einige unbekannte Nummern aus dem Schatzkästlein des Jazz oder verwurstet auch schon mal Fünfziger-Jahre-Schlager. Irgendein musikalisches Konzept läßt sich da schwerlich ausmachen, außer vielleicht: »Es ist alles Musik und es ist alles ein großer Spaß.«

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Aus den guten alten Siebzigern
Blood Sweat and Tears (16.12.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Ja, ja, das waren noch Zeiten Ende der sechziger Jahre - nichts war unmöglich, alles wurde gewagt: die Beatles luden indische Volksmusiker ein, Deep Purple rockten mit dem Königlichen Sinfonieorchester und Blood, Sweat and Tears vermischten gar Rock mit Jazz. Sensationell, nicht wahr? Nun, aus der Ferne betrachtet relativiert sich so manches: Jazz-Rock, Rock-Jazz, Fusion-Music oder wie man die diversen Spielarten der Verbindung noch nennen mag, gehören heute zum musikalischen Alltag, wirken sogar eher konservativ-klassisch. Und so kommt es, daß eine Band wie Blood, Sweat and Tears mit der gleichen Musik, die damals als revolutionär und progressiv galt, heute einen gepflegten Oldie-Abend für nostalgiebedürftige Mittvierziger gestaltet.

Nichts, aber auch gar nichts erinnert an diesem Abend in der wohlgefüllten Saarbrücker »Garage« daran, daß wir inzwischen das Jahr 1994 schreiben, selbst seine Breitbandkrawatte scheint Frontmann und Bandleader David Clayton-Thomas aus den guten alten Siebzigern hinübergerettet zu haben. Dabei ist Clayton-Thomas das einzige Bandmitglied, das aus früheren Besetzungen noch übrig geblieben ist. Der Rechtsträger des Bandnamens schaarte einfach ein paar neue, weitgehend namenlose Musiker um sich und verkauft sie erfolgreich als die legendären Blood, Sweat and Tears.

Daß das Konzert jedoch auch für Nichtnostalgiesüchtige zum Hörvergnügen wurde, liegt an einer Eigenschaft der Band, die wohl (hoffentlich) so schnell nicht aus der Mode kommen wird: musikalische Qualität. Blood, Sweat and Tears verstehen es stets die Balance zwischen ausgefuchsten Arrangements und unbändiger Improvisierlust zu wahren. Während heutige Jazzrock-Konzerte oft genug zum Hochgeschwindigkeitsrennen für fingerflinke Instrumental-Akrobaten verkommen, steht bei den ausgedehnten Improvisationen der neun Blood-Sweat-and-Tears-Musiker noch musikalisches Feeling vor inhaltsleerer Virtuosität. Damit überraschende Taktwechsel, dissonante Bläserfiguren und Zitate aus der klassischen Musik nicht nur der esoterischen Erbauung Musikintellektueller dienen, sorgen das oft genug tanzbare, auf traditionellen Rhythm 'n' Blues- und Gospelformen basierende Rhythmusfundament, die Songbezogenheit der Kompositionen und nicht zuletzt die Entertainerqualitäten des kumpelhaft wirkenden Frontmanns Clayton-Thomas für geradezu volkstümliche Musikunterhaltung.

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