Belangloses Wortgeblubber
Jule Neigel (13.12.94)

Autor: Zippo Zimmermann

»Hey, seid ihr gut drauf?« Aber sicher doch! Wer würde es wohl wagen etwas anderes zu behaupten? Ja, das Sammelsurium der Rockerposen beherrscht sie aus dem Effeff, die gute Jule Neigel. 1987 begann die Mannheimerin ihre Karriere irgendwo im Niemandsland zwischen Schlager und Rock und heute versucht sie sich unüberhörbar an den Erfolg des Bestsellers Pe Werner anzuhängen. Eine Strategie, die durchaus Erfolg zeitigt, was ein Blick in die ausverkaufte Saarbrücker Kulturfabrik beweist. Doch während in Werners Texten hie und da noch etwas Charme und Humor durchblitzen, hat die gebürtige Russin Neigel leider nur belangloses Wortgeblubber bieten. »Ich sehe Schatten an der Wand, sie erzählen mir von einem neuen Land« so eines ihrer pseudopoetischen Ergüsse und gleichzeitig einer ihrer größten Hits. Das ist natürlich lange kein Grund dafür Jule Neigel schlecht zu machen, schlucken wir doch stets klaglos weit plattere Banalitäten aus den Federn Neigels angloamerikanischer Kollegen. Überhaupt, was könnte man schon Negatives über Jule Neigel sagen? Sieht gut aus, singt gut - und gerade letztere Qualität hebt sie deutlich aus dem allgemeinen Deutschrockgenuschel heraus.

Die ganz in Leder gewandete Sängerin, die laut eigenem Bekunden an diesem Abend zum ersten mal in Saarbrücken auftritt, versucht die Gegensätze »einfühlsame Freundin« und »harte Powerfrau« in sich zu vereinen und paßt sich damit genau in das dereinst von Peter Maffei geprägte rauhe-Schale-weicher-Kern-Image ein. Solcherlei findet seine Ausprägung normalerweise in einer Musikart, die man gemeinhin mit dem Terminus »fetziger Rock und gefühlvolle Balladen« betitelt. Nicht anders bei Jule Neigel: Ihre sechs Mitmusiker sind allesamt Könner ihres Fachs, was sie auch in gelegentlichen solistischen Einsprengseln unter Beweis stellen dürfen. Die Band musiziert geradeheraus drauf los: rockig, ehrlich, kraftvoll, erdig, bodenständig - nichtssagend.

Wie die Faust aufs Auge passen da auch die im Vorprogramm spielenden Yah-Yah aus Köln. Sie könnten glatt als männliche Ausgabe der Jule-Neigel-Band durchgehen. So nimmt es nicht wunder, daß auch sie auf beste Akzeptanz beim Publikum stoßen. Mit rauher Kehle vorgetragene Songs im Mainstream-Rock-Gewand, wie »Ich brauche mehr« oder »Mittendrin« sind praktisch austauschbar mit Neigel-Stücken, wie »Sehnsucht« oder »Schritt für Schritt« - »Musik, die aus dem Bauch kommt« (Neigel) eben.

-> Leserbriefe zu diesem Artikel
<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Gediegenes Handwerk
Chris de Burgh (19.11.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Sie sind die vergessene Generation von Pop-Hörern. Nie bekommen sie die Aufmerksamkeit, wie die spektakulären Techno-Kids und Metal-Jünger, obwohl sie ihnen zahlenmäßig weit überlegen sind. Statt sich mediengerecht, schrill kostümiert in lärmenden Discotheken oder verrauchten Rockschuppen herumzutreiben, konsumieren sie Pop- und Rockmusik (bzw. das, was sie dafür halten) wenig aufsehenerregend, am liebsten nach einem anstrengenden Tag im Büro, ganz entspannt im heimischen Wohnzimmer.

Begreiflich, daß es nicht leicht ist eine solche Klientel wieder aus ihren bequemen Sesseln zu locken, auf daß sie sich auf den beschwerlichen Weg in eine Konzerthalle begebe. Einer, dem dies schon seit vielen Jahren spielend gelingt, ist der irische Popbarde Chris de Burgh. Weiß er doch den von teuren Hifi-Anlagen und digitalem Klang verwöhnten Ohren etwas zu bieten: gediegenes musikalisches Handwerk und makellose Soundqualität sowie eine imposante Light-Show fürs Auge sind so recht nach dem Geschmack der zahlreichen de-Burgh-Anhänger in der Saarbrücker Saarlandhalle. Im charmanten Plauderton führt der sympathische Sänger durch sein Programm, das weitgehend aus relativ belanglosen Schmuse-Pop-Songs besteht, die er zum Teil alleine, sich selbst im bewährten Lagerfeuerstil auf der Gitarre begleitend, vorträgt. Die meiste Zeit greift er jedoch auf seine Begleitband zurück: fünf Musiker, die alle sehr sauber und gekonnt spielen, indes sonst nicht weiter auffallen. Hie und da glückt de Burgh eine ganz reizende Melodie, der es gelingt sich im Ohr festzusetzen, die meisten Songs jedoch hat man vergessen, sobald der letze Ton verklungen ist.

Neben dem üblichen Herz-Schmerz verarbeitet de Burgh in seinen Liedern auch kleine Alltagsgeschichten und ein paar dezent gesellschaftskritische Anmerkungen. Man nimmt ihm durchaus ab, daß er sich den ein oder anderen Gedanken gemacht hat. Etwas aus dem Rahmen fallen Songs wie »Spanish Train«: märchenhafte Erzählungen, zu durchkomponierten Mini-Epen ausgearbeitet. Vor zwanzig Jahren nannte man sowas »Art-Rock« und galt als ungeheuer progressiv. Heute hat eine solche Musik etwas liebenswert Altertümliches an sich.

Dazwischen immer wieder die so beliebten Mitklatsch- und Mitsingspielchen sowie langanhaltende Ovationen von einem sichtlich erfreuten Publikum. Das war es also, das Konzert für dieses Jahr - und morgen geht es wieder ins Büro.

-> Leserbriefe zu diesem Artikel
<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Von Liebe und Tod
Konstantin Wecker (16.11.94)

Autor: Zippo Zimmermann

»Eigentlich hab' ich ja zwanzig Jahre lang das gleiche Programm gespielt - nur unter verschiedenen Namen.« bekennt er zu Beginn freimütig. Wie sieht es nun also aus, das erste wirklich neue Programm des Konstantin Wecker?

Um es gleich vorwegzunehmen: der neue Wecker ist der alte - oder besser: ein Teil des alten. »Wenn du fort bist - Lieder von Liebe und Tod« heißt das Konzertmotto und das sind ja Sujets, die schon immer ihren festen Platz in Weckers Œuvre hatten. Neu ist eher das, was er weggelassen hat: auf die typischen bissigen Satiren und kritischen Bestandsaufnahmen wartet man vergeblich an diesem Abend. »Die Liebe ist ja auch revolutionär« möchte Wecker dazu anmerken. Nun denn. Daß ein Konstantin-Wecker-Konzert nichts für distanzierte Zyniker oder ähnlich emotionslose Mitbürger ist dürfte bekannt sein. Nur logisch, daß es beim Thema »Liebe und Tod« besonders gefühlsselig zugeht. Wie selbstverständlich schüttelt Wecker alle musikalischen Kniffe aus dem Ärmel mit denen schon sein erklärtes Vorbild Puccini dereinst die Herzen seiner Zeitgenossen in Rührung zu versetzen wußte. Parallel dazu ist auch Weckers Lyrik manchmal in Gefahr ins allzu Schwülstige abzugleiten. »Wenn du fort bist, werd' ich schon mal kitschig und banal.« Eben.

Daß der Künstler selbst in seinen schwächsten Momenten noch meilenweit von der billigen Tränendrüsen-Romantik der Schlagerindustrie entfernt ist, dafür garantieren schon allein seine exzellenten handwerklichen Fähigkeiten als Komponist und Pianist. Ebenso schafft er mit charmant-witzigen und nicht selten selbstironischen Moderationen Distanz.

Ihren nicht unerheblichen Beitrag zum hohen musikalischen Niveau des Konzerts, das Wecker deutlich von seinen Liedermacherkollegen abhebt, leisten da seine drei Mitmusiker Jo Barnikel (Keyboards), Norbert Nagel (diverse Blasinstrumente, Bass) und Stefan Wildfeuer (Percussion). Den Themen entsprechend zaubern sie zusammen mit ihrem Bandleader eine eher besinnliche kammermusikalische Atmosphäre, aufgelockert von gelegentlichen Jazz-, Rock- und Blueseinsprengseln. Geduldig und aufmerksam lauscht die generationenübergreifende Fangemeinde drei Stunden lang einem Konzert, das fast ausschließlich neueres Songmaterial enthält. Auf die Sicherheit beliebter Wecker-Hits und Evergreens verzichtet der Künstler. Ein mutiger und konsequenter Schritt: Konstantin Wecker will uns hier und heute etwas sagen; die Nostalgie-Show gibt's vielleicht ein andermal.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

In den Siebzigern verwurzelt
Billy Cobham (4.11.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Stets muß er mit dem hinteren Teil der Bühne Vorlieb nehmen. Niemals kann man sein hinter Becken und Trommeln verborgenes Gesicht richtig erkennen. Einer der wenigen Schlagzeuger, die den Sprung zum Star geschafft haben, und bei Konzerten und Plattenveröffentlichungen unter eigenem Namen firmieren, ist der gebürtige Amerikaner Billy Cobham. Der Fünfzigjährige ist nun schon seit mehr als 25 Jahren im Musikgeschäft und die Liste der Größen mit denen Cobham schon zusammengespielt hat liest sich wie ein »Who is Who« der Jazz- und Rockmusik (als wahllos seien hier einmal die Namen Miles Davis, Carlos Santana und Peter Gabriel herausgegriffen).

Billy Cobham hat in dieser Zeit zwar nicht das Schlagzeugspiel revolutioniert, doch viel zur Emanzipation dieses Instrumentes beigetragen. Eingedenk solcher Ruhmestaten, ist es dann doch etwas verwunderlich, daß das Saarbrücker Gastspiel von Cobham und Band in den eher bescheidenen Räumlichkeiten der »Music Hall New Orleans« stattfindet, die damit gleichzeitig ihren Einstand als Konzertforum gibt. Kleine Bühne, niedrige Decke, Café-Tischchen, gesalzene Getränkepreise und familiäre Atmosphäre im Auditorium tragen zum beschaulichen Clubambiente bei.

Billy Cobham und Band führen uns an diesem Abend durch ihr rhythmisches Universum, in dem entspannte Sambarhythmen und locker groovender Swing ebenso Platz finden, wie wuchtige Rockgrooves und hektische, mit Breaks und Stolpertakten gespickte, musikalische Figuren. Cobham gewährt dabei seinen vier hochvirtuosen musikalischen Mitstreitern an Gitarre, Baß und zwei Keyboards breiten solistischen Raum. Die Musiker bewegen sich mit traumwandlerischer Sicherheit und Leichtigkeit auch durch äußerst komplexe rhythmische Passagen und lassen so die Musik stets klar und transparent erscheinen.

Während sein ehemaliger Brötchengeber Miles Davis auch in späteren Jahren nie den Anschluß an die jeweiligen Trends der schwarzen Musik verpaßte, ist Billy Cobham ganz im Jazz-Rock der siebziger Jahre verwurzelt, der allenfalls durch ein paar elektronische Gimmicks aus dem Synthesizer aufgepeppt wird. Dennoch haben die Musiker keine Mühe gängige Klischees des Genres zu vermeiden. Selbst die gelegentlichen artistischen Einlagen Cobhams am überdimensionierten Drum-Set, die die Virtuosität des Meisters (an der sowieso niemand zu zweifeln wagen würde) nochmals unter Beweis stellen sollen, waren kaum geeignet das hohe musikalische Niveau des Konzerts ernstlich in Frage zu stellen.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Versiert, glaubwürdig, direkt
Roachford/Six Was Nine (21.10.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Schon James Brown, der als Pausenfüller aus den Lautsprechern der Saarbrücker Kulturfabrik quäkte, ließ es klar werden: der heutige Abend sollte ganz im Zeichen der schwarzen Musik stehen. Die Briten »Roachford« hatten sich angesagt und brachten gleich noch kongeniale Unterstützung in Gestalt von »Six Was Nine« mit.

Verwunderung darüber daß eine deutsche Band ja gar nicht wie eine solche klänge, kann inzwischen nur noch bei demjenigen aufkommen, der seine Plattensammlung das letzte Mal zu besseren Scorpions-Zeiten aktualisiert hat. »Six Was Nine« kann man jedenfalls zur Gruppe der nationalen Acts zählen, die internationale Vergleiche nicht zu scheuen brauchen. Zwar benannte sich die sechsköpfige Truppe nach einem Song von Jimi Hendrix, doch statt hartem Rock im Stile der Gitarren-Legende überraschte die Band aus dem pfälzischen Frankenthal mit leichtfüßigem Soul. Die Musiker streuen wohl hie und da ein modisches Hip-Hop-Zitat ein, doch erweisen sie sich ansonsten mit federnden Funk-Grooves, sauberen Satzgesängen und röhrenden Orgel-Soli als durchweg wertkonservativ.

Die Erforschung musikalischen Neulands ist auch die Sache von »Roachford« nicht. Die vier Farbigen aus London tummeln sich lieber in den vielbefahrenen Gewässern des Mainstream-Rock, den sie gekonnt mit schwarzen Rhythmen verbinden.

Die Trumpfkarten des Quartetts sind zum einen eine Reihe tanzbarer, MTV-erprobter Ohrwürmer und zum anderen Sänger und Namensgeber Andrew Roachford. Der Frontmann - und übrigens auch exzellente Keyboarder - ist Dreh- und Angelpunkt der Gruppe. Durch seine Ausstrahlung und sein Einfühlungsvermögen vermag er auch scheinbar belanglosen Liedchen »Seele« einzuhauchen. Daß er dabei auch noch die ein oder andere sozialkritische Message loswerden will, ist dem Großteil des deutschen Publikums wahrscheinlich nicht aufgefallen. »Roachford« sind zu keiner Zeit originell, einfallsreich oder gar innovativ, doch immer versiert, glaubwürdig, direkt - gut.

Als dann die Band die Kollegen von »Six Was Nine« auf die Bühne holt, um zur Freude des tanzbereiten Publikums Soul-Altmeister Stevie Wonder in einer fröhlichen Jam-Session zu huldigen, beginnt die Musik wirklich zu brodeln. »Funky, funky!« kann man da nur noch respektvoll konstatieren.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Hundertprozent partybereit
Die Toten Hosen (19.5.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Sie singen »I'm a loser« und erzielen Plattenumsätze in Millionenhöhe; sie haben die 30 gerade überschritten und gelten geradezu als Symbol für den unangepaßten Jugendlichen - die »Toten Hosen« sind ein Phänomen der deutschen Rockszene. Die fünf Düsseldorfer begannen 1982 als Deutschlands bekannteste Punk-Band, forcierten ihre Karriere durch geschickt inszenierte Skandale und Skandälchen, traten als Vorzeigeprolos in Talkshows auf und empfingen durch ihre Mitwirkung bei der Inszenierung von »Clockwork Orange« gar die höheren Weihen der Subventionskultur.

Wenn man an diesem Donnerstag die Saarbrücker Saarlandhalle betritt, schlägt einem erst einmal Zigarettenqualm und Bierdunst entgegen, hie und da kribbelt der süßlichen Geruch eines mehr oder weniger legalen Krautes in der Nase. Man hat dem Anlaß gemäß die zerfetztesten Kleidungsstücke aus dem Schrank geholt und gibt sich hundertprozent partybereit. Die »Toten Hosen« lassen sich da nicht lange bitten und tragen schon gleich zu Anfang den Tanz- und Mitgröhlbedürfnissen ihres bestens gelaunten Publikums Rechnung. Sie preisen die erquickende Wirkung eisgekühlten Bommerlunders und künden von den Freuden der Promiskuität. Aber auch aus dem Alltagsleben des jugendlichen Outsiders wissen sie zu berichten und beziehen mehr als deutlich Stellung gegen rechts.

Über die Musik der »Hosen« braucht man nicht viel Worte zu verlieren: Die Gitarren schrammeln sich ein paar Akkorde zurecht, der Schlagzeuger scheint nicht mehr als zwei Rhythmen zu kennen und das wichtigste ist der vollauf westkurventaugliche Refrain.

»Wie kann man mit solch instrumentalem und vokalem Unvermögen nur so erfolgreich sein?« Diese Frage ist so alt wie die Rockmusik selber und wer sie stellt hat immer noch nicht begriffen, daß Musik nur ein Teilaspekt des Rock'n'Roll ist. Das zeigt sich besonders deutlich wenn das Quintett Coverversionen in englischer Sprache zum Besten gibt. Dann wird die Gruppe plötzlich zur stinknormalen Rockband, wie es ihrer um jeder Straßenecke zehn bessere gibt.

Doch die »Toten Hosen« sind mehr als eine Band: sie sind eine Idee, deren Erfolg sich, mehr noch als aus Umsatz- und Zuschauerzahlen, aus der großen Zahl ihrer Epigonen, die den sogenannten »Fun-Punk« spielen, ablesen läßt. Die »Toten Hosen« sind die Originale und wenn es sie nicht schon gäbe, man müßte sie erfinden. Eine Ansicht der sicherlich auch der »Hosen«-Fan zustimmen würde, der nach Ende des Auftritts bemerkte: »Meine Ohren dröhnen und mir tut alles weh - das war das beste Konzert seit langem!«

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Edel, hilfreich und gut
Pur (12.5.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Mädchenaugen funkeln und Schwiegermüttern in spe wird es ganz warm ums Herz: die Jungs von »Pur« sind wieder da. Die Band aus Schwaben kann sich derzeit über mangelnden Zuspruch nicht beklagen und so heißt die »Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär«-Story bei ihr »Vom Bürgerhaus Burbach zur zwei mal ausverkauften Saarlandhalle«.

Schon beim ersten Stück funkeln die Sterne am Bühnenhimmel und auch das Tourneemotto »Seiltänzertraum« läßt es schon vermuten: Heute gibt's was fürs Herz. Doch anders als die meisten ihrer Schlagerkollegen gaukeln sie ihrem Publikum keine heile Welt vor, nein »Pur« versprechen sie uns, wenn wir nur alle ein kleines bißchen lieb zueinander seien. Denn diesbezüglich können wir eigentlich ganz optimistisch sein: »Alles wird gut, das schlimmste vorbei«

Sie »wollen neue Brücken bauen über Täler der Intoleranz« - »Pur«, die Musik gewordene Lichterkette. Aber wenn man so in die Augen von Frontmann Hartmut Engler blickt, nimmt man es ihm einfach ab, wenn er treuherzig verkündet »Alle Menschen werden Brüder sein« Sang nicht schon John Lennon dereinst »You may say I'm a dreamer, but I'm not the only one«? Doch noch ein weiteres Vorbild hat die Gruppe: nach der als Gag eingespielten »Winnetou«-Melodie »Wo sind all die Indianer hin?« wird einem schlagartig klar, daß »Pur« mindestens ebenso edel, hilfreich und gut sind, wie Karl Mays Apatschen-Häuptling.

Manchmal lenken sogar die Musiker ein bißchen die Aufmerksamkeit auf sich: kleine, geschickt arrangierte Instrumentalteile lassen für kurze Zeit die Ohren spitzen; doch bevor die breite Publikumsmasse durch ein Zuviel an musikalischem Niveau verschreckt werden könnte, schwenken die Musiker flugs wieder ein in ihre gefälligen Ohrwurmmelodien, die die Zeit beim Geschirrspülen immer so angenehm verkürzen. Wir hören noch eine rührselige Geschichte über den »alten Mann am Fenster« und sogar an ein »Lied für alle Vergessenen« haben die fünf guten Menschen von Bietigheim gedacht. Selbst bei einem herzzerreißenden Stück über einen Selbstmord erleuchtet des Deutschrock-Publikums Lieblingsspielzeug - die Wunderkerze - den weiten Raum der Saarlandhalle.

Wenn man dann nach über zwei Stunden Konzert wieder nach draußen in die böse böse Welt tritt, kann man sich eines kleinen Seufzers nicht erwehren: wenn doch nur alles so einfach ginge, wie sich das die netten Jungs von »Pur« so denken!

-> Leserbriefe zu diesem Artikel
<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Bunt schillerndes Sammelsurium
Saar-Rock-Special (4.5.94)

Autor: Zippo Zimmermann

Donnernder Heavy-Rock - leichtfüßiger Pop, innovative Experimentalmusik - gefällig-glatter Mainstreamsound, alte Hasen - junge Recken: Wer die saarländische Rockszene in ihrer ganzen Breite erleben wollte, der mußte sich an diesem Mittwoch auf den Weg in die Saarbrücker Saarlandhalle machen.

Dort hatte die Spielbank Saarbrücken, anläßlich ihres 15jährigen Bestehens, zum »Saar-Rock-Special« mit nicht weniger als zehn einheimischen Bands geladen, die einen anschaulichen Überblick über das bunt schillernde Sammelsurium der unterschiedlichen Stile, Spielweisen und Auffassungsarten von Rockmusik boten.

So ist die Mädchenband »Thee Cherylinas«, die nach der Coverband »Slash« den ersten Höhepunkt des Abends markierte, Vertreter einer in Saarbrücken äußerst regen Subkultur, die sich liebevoll der Pflege des »Garage-Beat« der 60er Jahre widmet. Ganz im Stil der Zeit gewandet, haben die fünf Girls den Sound der Sixties vollkommen verinnerlicht und bringen ihre nach simplen Strickmuster aufgebauten Songs mit viel Charme über die Bühne.

Auf die Vergangenheit greift auch das Trio »Art of Schwanengesang« zurück. Selbst wenn sie hauptsächlich Fremdkompositionen interpretiert, schafft es die Gruppe durch reduzierte Arrangements in ungewöhnlicher Besetzung und intensivem Gesangsvortrag Oldies wie »Little Wing« oder »Drive my Car« nie geahnte Facetten abzugewinnen.

Als Vertreter der Illinger Jazz-Rock-Szene waren »Open Circle« angereist. Die Band um Kultfigur Christof Thewes an der Posaune ließ in ihren Stücken straighte Hip-Hop-Grooves in rasende Improvisationen einmünden, die trotz aller Schnelligkeit und Wildheit stets eine klare Struktur erkennen ließen - Musik vom Feinsten!

Nach einer gekonnten Folkeinlage vom Duo »There Never« gehörte die Bühne den Bluesrockern von »Red House« deren elektrisierende Musik praktisch erst während des Zusammenspiels auf der Bühne entsteht. Zu mitternächtlicher Stunde präsentierten dann die Aufsteiger der Saison »Witch Burning« ihren radioerprobten Breitwand-Mainstream-Heavy-Rock. Die »Pseudoboys« dagegen zeigten, wie man auch abseits ausgetretener Pfade Musik fürs Volk machen kann. Die fünf ewigen Newcomer verstehen es, solides musikalisches Handwerk, ausgefuchste Arrangements und clevere Ohrwurmmelodien zu einer hitträchtigen Mixtur zu verbinden.

Nach den AC/DC-Epigonen »Chiefs of Nothing« stellten die Reggae-Spezialisten von »Mia Risa« mit der bezaubernden Celia Baron am Saxophon, die Tanzbarkeit einheimischer Rockmusik unter Beweis. Warum jedoch Saarländer Englisch mit jamaicanischem Akzent singen wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch
Heinz Rudolf Kunze (28.4.94)
Autor: Zippo Zimmermann

Er hat »Sex mit Hitler« spielt »Goethes Banjo« und ist »Der einzige ehrliche Mensch auf der Welt« - fürwahr, ein gewisses Faible für ungewöhnliche Sujets kann man ihm sicherlich nicht absprechen, diesem Heinz Rudolf Kunze. Schon seit vielen Jahren kann sich der Sänger aus Osnabrück im Saarland einer loyalen und begeisterungsfähigen Stammkundschaft erfreuen und so ist auch an diesem Donnerstag die Saarbrücker »Kulturfabrik« bis auf den letzten Platz besetzt.

»Kunze macht Musik« so nennt er ebenso schlicht, wie treffend sein neues Programm. Doch nicht nur das: Kunze hat uns auch eine ganze Menge zu sagen. Vorgekaute Meinungen hat der 36jährige jedoch nicht zu bieten und die Gewißheit auf der »richtigen« Seite zu stehen, bleibt er dem Zuschauer (zum Glück) auch schuldig. Er weiß nur daß alles schief läuft um ihn herum, Patentlösungen hat er nicht bereit: »Eimerweise in Talkshows fließen Krokodilstränen, und die Werwölfe lachen sich scheckig und gähnen« Entweder bin ich verrückt oder der Rest der Welt ist es - das wollen wohl auch die beiden Irrenärzte andeuten, die, Zwangsjacke parat, als Statisten über die Bühne hopsen: »Im Fernsehen sagt ein Blinder, was sein Lieblingsmaler ist.«

Während man noch dabei ist, an »Einmal Führersaft und zehnmal Sklavenbrause« schwer zu schlucken, gehen derweil die sauberen Satzgesänge von Kunzes fünfköpfiger Begleitband 'runter wie Öl. Während der Sänger lamentiert »Mein ist das Verhängnis der Größe«, finden lockere Rockgrooves ihren Weg direkt in die Beine, die Feststellung »Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch« ist verpackt in einen flockigen Ohrwurm-Song.

Aber »Niedermacher« Kunze kann auch mehr, als nur Endzeitstimmung zu verbreiten (»die Arche voll, die Klappe zu«): So schafft er es mit seiner Version des »Kinks«-Klassikers »Lola« angloamerikanische Rockpoesie auch deutschen Ohren zugänglich zu machen. Und wenn Kunze die Sehnsucht des Fallschirmspringers nach dem freien Fall zu den gespenstig-surrealen Klängen seiner Band besingt, dann hat er endlich den Sprung von der Wortakrobatik zur Dichtung geschafft.

Überhaupt scheint der - künstlerisch sicher nicht uninteressante - Kontrast zwischen kribbelnder Hirnstimulanz und beschwingtem Fußwippen in der zweiten Hälfte des Konzerts langsam zu verschwimmen. Kunze erzählt uns sogar ein paar kleine Liebesgeschichten, auch wenn das Happy End meistens ausbleibt und der »Himmel voller verstimmter Klaviere« hängt. Und als zum Ausklang fröhlich der Beatles-Hit »Octopus's Garden« intoniert wird, ist die Erinnerung an die »Wahlurnenzombies« und »Mehrheitsbeschaffungskriminellen« vom Anfang schon verschwommen.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Das Leben ist grausam und Gabi ein Schwein
Die »Prinzen« (25.4.95)

Autor: Zippo Zimmermann

Alle waren sie gekommen. Ganze Schulklassen, so schien es, waren geschlossen in die Saarlandhalle gepilgert, um die »Prinzen« endlich einmal live zu sehen.

Die Chor-Truppe aus Sachsen reist derzeit als Musik gewordener Aufschwung Ost durch die Lande und sorgt für ausverkaufte Konzerthallen und sechsstellige Plattenverkäufe. Handwerk hat eben goldenen Boden: haben die fünf doch ehedem die feine Kunst des wohlklingenden Satzgesangs im Thomanerchor zu Leipzig trainiert. Dort scheinen sie auch brav ihre klassische Harmonielehre gebüffelt zu haben. Denn wo andere mit mehr als drei Akkorden ein junges Publikum schon zu überfordern fürchten, beweisen die »Prinzen« daß ein Hauch von musikalischem Niveau die Kauflust der Kids keineswegs bremst. Doch was fast noch wichtiger ist: die fünf Sangesbrüder besitzen die im Musikbusiness leider viel zu seltene Gabe der Selbstironie und wissen in ihren Liedtexten abgedroschenen Phrasen aus dem Wege zu gehen.

Wo ihre Kollegen bei Liebesfreud und Liebesleid den Schmalz nur so triefen lassen, meinen die »Prinzen« nur lakonisch »Du willst mich haben, das kann ich gut versteh'n« oder lamentieren »Das Leben ist grausam und Gabi ein Schwein« Sie blödeln ohne jemals die Grenze zur Dümmlichkeit zu überschreiten »Vergammelte Speisen zu überhöhten Preisen sind zurückzuweisen« und wissen genau »ich werde immer schöner durch mein Geld«.

Ja, in dem Song »Die Bombe« haben sie sogar ein paar kritische Anmerkungen für ihre jungen Zuhörer parat - pädagogisch wertvoll und natürlich ohne irgendjemandem damit wehtun zu wollen. Das würde ja auch gar nicht zum Image der knuddeligen »Herzbuben«, wie sie sich früher nannten, passen. Mami und Papi, die im hinteren Teil der Halle gleichfalls fröhlich mitschunkelten, konnten also ganz beruhigt sein und hoffen, daß es noch lange dauern wird, bis ihre lieben Kleinen bösen Buben à la »Guns 'n' Roses« nachlaufen werden.

In den Gesichtern von Omi und Opi jedoch, begann sich plötzlich ein Erinnern abzuzeichnen: »Da gab es doch mal früher...« Und richtig: schien da doch tatsächlich die Reinkarnation der »Comedian Harmonists«, freilich im modernen Soundgewand, auf der Bühne der Saarlandhalle zu stehen.

»Alles nur geklaut« also? Nein, niemand möchte wohl so hart in seinem Urteil sein, wenn er sieht, wie die »Prinzen« als einziger hoffnungsvoller Lichtblick zwischen all dem volksdämlichen Kitsch und triefenden Herz-Schmerz in der deutschen Schlagerlandschaft bestehen. Unsere Kinder haben besseres verdient als David Hasselhoff: Gönnen wir ihnen also die »Prinzen«!

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

G'schichten aus Staffabruck
Ringsgwandl (30.1.94)

Autor: Zippo Zimmermann

»Die Woch' fangt scho' wieder guat o'.« Das waren die letzten Worte des Matthias Kneißl, als er an einem Montag des Jahres 1902 zur Hinrichtung geführt wird. Der bayerische Robin Hood Kneißl ist nur einer der Antihelden, die seit kurzem die Songs von Georg Ringsgwandl bevölkern. Nachdem er noch auf seiner letzten Tournee als schräger Bühnenclown, verstärkt durch eine sich immer mehr von bloßer Begleitfunktion emanzipierenden Band, bösartige Satiren zum besten gab, überraschte der Musiker, Songschreiber und Kabarettist im Sommer '93 mit einer CD auf der er musikalisch schlichte, geradezu besinnliche Songs zur Gitarre vorträgt.

Und so beginnt auch Ringsgwandls Programm letzten Samstag im ausverkauften Kaiserslauterner Kulturzentrum »Kammgarn« - musikalisch kongenial ergänzt durch den Gitarristen Nick Woodland. »Staffabruck« heißt der Titel und das ist auch der Name des Dorfes in dem Ringsgwandl aufgewachsen ist. Von dort bezieht er den Stoff für seine Geschichten über die kleinen Leute, die Verlierer und Außenseiter. Der Alois Ringsgwandl ist auch so einer: mit zwölf Jahren hatte der Cousin von Georgs Vater die Nase voll von den Demütigungen, die er als uneheliches Kind einer Magd aushalten mußte und büxt aus nach Paris, wo er sich mit Schuhplattlern über Wasser hält.

Ringsgwandls Protagonisten erkennen zwar, daß irgend etwas schiefläuft mit ihrem Leben, doch sie haben sich damit abgefunden: »Ja was sag' I Inge, das is' der Gang der Dinge.« und auch der Vater weiß für seinen Sohn keine bessere Antwort: »Es gibt Leut' die verdiene ihr Geld beim Schlafen drin im Bett, aber vergiß net Bua: zu dene gehörst du net.«

Ist Georg Ringsgwandl konservativ? Feministinnen und moderne Pädagogen mögen zum Protest ansetzen, wenn der Sänger den Tod seiner Oma bedauert, von der er zwar manche »Watschn« kassiert hat, die aber immer ein leckeres Essen gekocht hat. Doch das Eigentliche worauf es Ringsgwandl ankommt ist »sie war a guate Haut«.

Wahr ist, daß der Künstler von einer unwiederbringlich verlorenen Vergangenheit erzählt, doch das tut er nur, weil es zufällig seine Vergangenheit ist. Der Wirkung seiner Geschichten würde es keinen Abbruch tun, wenn sie in der Gegenwart, in einem anderen Land oder in der Zukunft spielen würden. Und diese Wirkung beruht darauf, daß Ringsgwandl sich jeden Kommentar verkneift und einfach nur erzählt. Am Zuhörer liegt es, daraus Schlüsse zu ziehen.

Erst im zweiten Teil des zweieinhalbstündigen Auftritts, weiß das Publikum dann wieder, daß es auf der richtigen Seite steht: die altbekannten rotzigen Ringsgwandl-Satiren stehen nun im Mittelpunkt: zwar wesentlich unterhaltsamer, aber nicht unbedingt künstlerisch überzeugender, als die »G'schichten« aus Staffabruck.


»Ich bin a zynische, ironische Sau«

Der alte Spötter kann's nicht lassen: Gerade erst die Bühne des Kaiserslauterner »Kammgarn« verlassen, weiß Musiker und Kabarettist Georg Ringsgwandl auch im Interview bissige Seitenhiebe auszuteilen. Aber auch Hintergrundinformationen zu seinem neuen Programm blieb der Oberarzt aus Garmisch nicht schuldig.

SZ: Im Konzert eben gab es ja zwei Teile, die ich mal mit »Ringsgwandl der Erzähler« und »Ringsgwandl der Spötter« überschreiben möchte. Ist der weniger satirische Teil des Programms der »neue« Ringsgwandl oder wolltest Du nur einmal Deine beiden Seiten präsentieren?
Ringsgwandl: Das Letztere; das ist einfach eine andere Seite von mir. 1977/78 hab' ich schon einmal versucht solche ruhigen Songs auf Kleinkunstbühnen zu machen, aber das war damals so, daß das nicht auf große Gegegenliebe gestoßen ist. Weil's natürlich eine ganz andere Art und Weise ist ein Lied zu machen, als dieses extrem aufgekratzte und rotzige Zeug, was ich so in den letzten Jahren gemacht hab', womit ich bekannt geworden bin. Das ist eine andere Seite, die ich schon immer gehabt habe, aber die einfach lange Zeit kein Schwanz hören wollte. Und dieses Jahr hab' ich's dann einfach mal gemacht. Ich wollt' diese Platte mit diesen Songs schon immer mal machen. Und da hat dieses andere grelle, aufgekratzte, wirklich überdrehte Zeug, was natürlich sehr spektakulär und sehr öffentlichkeitswirksam war, das hat dadurch mal ein bisserl Ruhepause. Also ich werde jetzt meinen Lebensabend nicht damit beschließen, daß ich bloß noch dezente Gitarrenabende gebe.
SZ: Im satirischen Teil Deines Programms hast Du über die Wohnmobilurlauber gelästert. Wieviele Wohnmobilbesitzer, glaubst Du, saßen heute im Publikum?
Ringsgwandl: Viele! Klar das Publikum beklatscht sich dann auch selbst, aber das hat zwei Seiten. Auf der einen Seite kann man sagen, was soll dieses ganze satirische Zeug, wenn die Leute einfach alles beklatschen, wenn Du die Leute praktisch mit gar nichts mehr zwicken kannst. Das ist das Unbefriedigende, das Unschöne dabei. Auf der anderen Seite, ist es doch ein positiver Vorgang, wenn Leute irgendwo hingehen, wo einer ihrer Alltagszustände geschildert wird, sie das erkennen und sie lachen dann über sich selbst. Das verändert jetzt nicht die Welt nachhaltig, aber das ist ein positiverer Vorgang, als wenn jetzt z.B. 70 000 beim »Genesis«-Konzert hocken. Es ist nicht so, daß der Kabarettist die Welt verändert, aber es ist ein Unterschied, ob es jetzt nur Akklamationskünstler gibt, nur kommerzielles Zeug oder ob es ein paar Leute gibt, die a bisserl rotziger sind.
SZ: Aber klingt nicht trotzdem inzwischen in Deinem Programm ein bißchen Resignation durch?
Ringsgwandl: Nein, das ist keine Resignation, sondern das ist so, daß ich glaube, daß das gängige deutsche Wortkabarett, bei allen Verdiensten und bei aller Wichtigkeit und bei allem Positiven, die diese Gattung in unserem verhurten Kulturbetrieb einfach hat, daß dieses Kabarett einfach Ausdruck einer grundlegenden Fehleinschätzung ist. Ich sag's jetzt mal ganz kraß: ich glaube, daß dieses ganze SPD- und DGB-gekaufte Kabarett ein grundlegender Irrtum ist. Weil, es ist einfach eine widerliche Veranstaltung, wenn ein Kabarettist, der 30% seines Jahreseinkommens durch SPD-Parteiveranstaltungen bezieht, vor einem pseudo-aufgeschlossenen Publikum Kohlwitze macht und die klatschen alle. Ich war schon immer gegen die Kohlwitze gewesen, weil ich's einfach für einen zu billigen Scherz halte. Die Politik ist ein ganz klein bisserl komplizierter, als daß irgendein dahergelaufener Volksschullehrer, der meint, er macht einen kritischen Scherz das besser machen könnte. Deshalb glaube ich, daß das eine Selbstüberschätzung is'. Ich bin ja ganz a zynische, ironische Sau, aber ich glaub' nicht, daß es so billig geht, wie es der normale deutsche Wortkabarettist so macht. Der muß mir erst mal erklären, was jetzt der Unterschied zwischen dem Geißler und dem Scharping is'. Und ich glaube auch, daß die jüngere Generation von Leuten, die so 20 oder 25 sind, daß die nicht in ein normales Kabarett reingehen, daß die schon wesentlich weiter sind und wissen, daß sich dort nicht gesellschaftliches Weiterdenken abspielt. Das ist ja Unsinn unsere gesellschaftlichen Konflikte immer noch als den Unterschied zwischen CDU und SPD darzustellen. Ich glaub' diesen Krampf nicht. Das ist für mich keine Resignation: ich glaub' nicht an das Engagement von irgendwelchen engagierten linken Liedermachern. Das ist Sozialromantik, das ist einfach ein Irrtum.
SZ: Heißt das daß Du das Politische ganz aus Deinem Programm 'raushalten willst?
Ringsgwandl: Nein, nein, ich bin ja nicht unpolitisch oder sowas. Ganz im Gegenteil, ich habe ganz dezidierte Vorstellungen über Politik, aber ich weiß, daß ich kein Politiker bin. Ich würd' mich nie dazu aufschwingen und sagen: »Alle herhören, jetzt kommt der Ringsgwandl und sagt Bescheid, wo's 'lang geht« Ich kann vielleicht dem einen oder dem anderen Politiker eine Frage stellen, die ihn irgendwo zwickt, aber ich würd' mir nie anmaßen zu sagen, daß die alle blöd sind. Deshalb werd' ich auch keine Wahlkampf-Auftritte machen. Es ist nicht die Aufgabe von einem Künstler, der sich irgendwie als kritisch versteht, irgendwelche Machtträger zu zementieren. Ein Künstler hat da nichts zu suchen.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Der letzte Romantiker
Konstantin Wecker (?.?.94)

Autor: Zippo Zimmermann

»Na, auch mal wieder da?« Man sieht sich, man kennt sich. Ist es doch wahrlich nicht das erste mal, daß Konstantin Wecker in Saarbrücken zu Gast ist: alle Jahre wieder lockt der Sänger und Musiker seine angestammte Anhängerschar zwischen 15 und 55 in den Konzertsaal. Nachdem Wecker den schon traditionellen »Sitzen-oder-Stehen«-Streit des Publikums in der völlig überfüllten »Garage« geschlichtet und einigen eingeengten Zuschauern einen Platz als Bühnendekoration zugewiesen hat, setzt er in den folgenden drei Stunden auf Erprobtes und Bewährtes.

»Ich singe, weil ich ein Lied hab'« überschreibt der 46jährige gleich zu Beginn treffend sein Programm, das sich als Reise durch den Wecker'schen Gefühlskosmos entpuppt. Seine satirische Ader kommt dabei diesmal weniger zum Tragen. Recht hat er damit: Kabarettisten gibt es en masse, wirkliche Poeten jedoch sind rar auf Deutschlands Bühnen. »Was für ein Gefühl, tiefer als das Meer« - Wecker, der letzte Romantiker in einer ach so rational, vernünftigen Welt: Noch immer ist »genug nicht genug«, nach wie vor lebt er »immer am Strand« Damit die vielseitigen Betrachtungen von Weckers Ego nicht allzu schwer verdaulich werden paart er sie stets mit einer gehörigen Portion Selbstironie: »Vor 15 Jahren waren Sie mal saugut, Herr Wecker.«

Gelinde gesagt »saugut« sind auch Weckers ebenso virtuose wie einfühlsamen Mitmusiker. Jo Barnikel (Keyboard) und Norbert Nagel (Flöte, Klarinette und Saxophon) als »Begleiter« zu bezeichnen wäre ebenso unzutreffend, wie die ganze Bandbreite Weckers künstlerischen Ausdrucksvermögens auf den Begriff »Liedermacher« reduzieren zu wollen. Vielmehr präsentiert sich auf der Bühne ein Trio von Vollblutmusikern, das von durchkomponierten Mini-Symphonien bis zu quirligen Jazz- und Blues-Improvisationen immer wieder neue Klangwelten erschafft.

Weckers Dichtung wird dabei zum Teil der Musik. Es macht wenig Sinn sich über die tiefere Bedeutung eines Ausdrucks, wie »Blütenfall des Meeres« den Kopf zu zerbrechen: Konstantin Wecker spielt keine Lieder zum Zuhören, er spielt Lieder zum Eintauchen. Worte werden zu Klängen, Bedeutungen gehen auf in Musik und am Ende stehen nur noch Gefühle: Freude, Angst, Wut, Trauer, Liebe. Wir sehen uns im nächsten Jahr.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

»Yuppie, Yuppie, Yeah!«
Pe Werner (?.?.94)
Autor: Zippo Zimmermann

»Der Mob hört Pop« - davon hat Pe Werner gut reden, versorgt sie doch seit ein paar Jahren die Radiostationen regelmäßig mit Hitmaterial und zählt die Einheiten ihrer verkauften Schallplatten inzwischen in Hunderttausendern. Doch zwei Seelen wohnen in ihrer Brust: Reist sie doch schon genau so lange auch als Kabarettistin durch die Lande. Um endlich ihren Seelenfrieden zu finden, hat sich Pe Werner nun entschlossen ihre beiden Seiten in einem Programm zu vereinen. »Beflügelt« heißt es und hatte vergangenen Dienstag, gemäß einer alten Tradition, im Bürgerhaus Neunkirchen seine Premiere.

»Der Proll hört Rock'n'Roll« - Ulf Weidmann heißt der musikalische Begleiter Werners und er vermag es tatsächlich den rockigen Drive der auf Schallplatte bandunterstützten Songs auf das Piano hinüberzuretten. Eher persönlich gefärbte Liedtexte (»Was bleibt, wenn die Liebe geht«) wechseln mit der spöttischen Sichtweise der Kabarettistin. Klar, daß dabei die Lieblingsfeindbilder des deutschen Kabaretts, der Spießer mit der umhäkelten Klopapierrolle und die vergnügungssüchtige High Society (»Yuppie, Yuppie, Yeah!«) nicht fehlen dürfen. Auch eine Reich-Ranicki-Parodie wird immer wieder gern genommen. Ein paar engagierte Sätze gegen rechts sind sowieso obligat und Pe Werner findet dabei sogar die treffenden Worte (»Unsere Ohnmacht ist ihre Macht«).

Doch ihren Schwerpunkt legt sie auf ins Komische verzerrte Alltagssituationen: Probleme beim Sommerschlußverkauf, Ärger über Werbeunterbrechungen oder unsinnige Ratgeber in Frauenzeitschriften sind Themen, die direkt aus der Lebenswelt ihres eher bürgerlichen Publikums gegriffen zu sein scheinen. Ihrer schon im Programmtitel »Beflügelt« erkenntlichen Vorliebe für Wortspiele frönt sie ausgiebigst; bei einem »Skinhead o' Connor auf Schönhuber-Records« bleibt einem jedoch das Lachen im Halse stecken.

Aber Ausrutscher solcher Art sind die Ausnahme. Die sympathische Odenwälderin bleibt zwar spöttisch, doch wird sie nie bösartig, geschmacklos oder gar provozierend. Ihre Späße sind eigentlich meistens recht lustig, ihre Liebeslieder laufen nie Gefahr in Schlagerkitsch abzudriften, ihre Melodien sind wirklich ganz nett (man denke nur an den Ohrwurm »Kribbeln im Bauch«) und auch der pianistische Begleiter Ulf Weimann macht eine gute Figur.

Ja, es sieht so aus, als wäre Pe Werner der Beweis dafür, daß es tatsächlich so etwas scheinbar paradoxes wie »leichtgewichtige Unterhaltung mit Niveau« gibt.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Scheitern als Konzept
Helge Schneider (15.12.93)

Autor: Zippo Zimmermann

Texas 1860. Der gefürchtete Outlaw hat im Schutze der undurchdringlichen texanischen Wälder sein Nachtlager aufgeschlagen. Plötzlich reicht ihm jemand eine elektrische Gitarre, worauf Doc Snyder - so der Name des Ganoven - eine haarsträubende Blues-Rock-Improvisation zum Besten gibt. Lustig!

Saarbrücken 1993. Der Mann mit dem Toupet hat sich mehr schlecht als recht in einen knallblauen Anzug hineingezwängt. Dazu trägt er eine grellrote Krawatte und Schuhe mit ziegelsteindicken Plateausohlen. Er singt: »Katzenklo, Katzenklo, ja das macht die Katze froh!« Lustig!

Oder etwa nicht?

Nun, an dem Mülheimer Komiker, Jazzmusiker, und neuerdings auch Filmregisseur Helge Schneider scheiden sich die Geister. Was für die einen der neue Stern am Entertainer-Himmel, ist für die anderen einfach nur schlecht. Recht haben wohl beide. Nach nicht weniger als sechs CDs hat Schneider mit dem in den lieblichen Wäldern des Sauerlandes gedrehten Western »Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem« seinen bisher größten Coup gelandet. Mit diesem Schelmenstück hievte er sein breites Grinsen auf die Fernsehschirme und die Titelseiten der Republik.

Die neue Popularität des 38jährigen ließ auch das Saarbrücker Publikum am vergangenen Mittwoch scharenweise in die »Garage« strömen. Und dabei ist Helge Schneider wirklich schlecht! Er spielt nicht den Entertainer, der sich nicht auf seinen Auftritt vorbereitet hat, er hat sich tatsächlich nicht vorbereitet. Sein Erzählfaden verheddert sich, seine Pointen versanden. In freier Improvisation springt er von Assoziation zu Assoziation und reiht sie sinnfrei aneinander: »Lecker der Sprudel - ein Wundersprudel - aus dem Wunderland.« Schneider gibt sich die absolute Freiheit. Er kann ganz Kind sein und auf der Bühne alles machen, was man dort normalerweise nicht darf: falsch singen, sinnlose Reime produzieren, unanständige Worte sagen ...

Und sollte einer seiner Scherze einmal tatsächlich gelungen sein, so weiß er diesen Augenblick des Gekonnten durch ein »Super Gag, ne?« sofort wieder zu zerstören. Ausgenommen aus diesem Kosmos des Scheiterns bleiben jedoch die musikalischen Darbietungen. Schneider und seine beiden Mitmusiker, der Schlagzeuger Peter Thoms und der Keyboarder Buddy Casino, sind nun einmal exzellente Instrumentalisten - auch hier also keine Verstellung. Allenfalls durch ihr antikes Instrumentarium und die etwas altbackene Spielweise, vermögen sie ihrem Spiel die Aura des Imperfekten zu verleihen. Ansonsten lassen die versierten Jazz-Improvisationen die Liedtexte und Zwischenansagen in einem noch abstruserem Licht erscheinen.

Helge Schneider entwirft mit seinem Auftritt ein Gegenbild zu dem, was bisher die Welt des Showbusineß geeint hat: vom Alleinunterhalter auf dem Betriebsfest bis zum stadionfüllenden Mega-Star - alle wollen sie die perfekte Show abliefern. Schneider ist der erste, der sich diesem Zwang widersetzt und dabei doch erstaunlich nah an die Wirklichkeit herankommt: Hören wir kaum bessere Zeilen, wie »Mädchen sag nicht 'Nein', laß mich bei dir sein« nicht täglich aus den Radio- und Fernsehgeräten dudeln? Haben wir nicht schon öfter sich wild gebärdende Rockgitarristen mit unsäglichem Pathos im Bühnennebel verschwinden sehen? Doch weil in Schneiders Auftritt nichts geplant, nichts perfekt ist, kann es keine bewußte Satire oder Parodie sein. So wirkt der mit Glitzerbuchstaben aufgeklebte Namenszug auf Buddy Casinos prähistorischer Orgel eher wie ein liebevolles Detail, denn wie ein satirischer Seitenhieb auf alle Tanzmucker.

Anstatt die Schrecken jedes Bühnenkünstlers zu bekämpfen hat Helge Schneider sich mit ihnen verbündet: Schneider kann sich nicht lächerlich machen, weil er von Anfang an lächerlich ist. Und er kann nicht scheitern, weil er das Scheitern zu seinem Konzept gemacht hat. Lustig!

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Lügen, was das Zeug hält
Klaus Hoffmann (9.11.93)

Autor: Zippo Zimmermann

»Was ist ein Sänger? Will er uns etwas sagen, hat er eine Botschaft?« fragt Klaus Hoffmann und gibt sich und uns gleich darauf selbst die Antwort: »Ich habe Ihnen nichts weiter zu bieten als ein paar Geschichten.«

Der Berliner Chansonnier war vergangenen Dienstag in der Saarbrücker Kongreßhalle zu Gast, um vor ausverkauftem Haus seine jüngste Platte »Sänger« vorzustellen. Und was ein Sänger ist, macht Hoffmann eigentlich vom ersten Augenblick an klar: nämlich jemand der die Möglichkeit hat die Suche nach seiner eigenen Identität vor einem tausendköpfigen Publikum darzustellen.

In seinen Liedern und Zwischentexten läßt er sein Leben Revue passieren, von den ersten musikalischen Versuchen als Kind bis zur Angst vor dem Alter. Damit dies alles nicht zur selbstgefälligen Nabelschau ausartet, läßt der Künstler dem Publikum immer genug Raum zur Identifikation mit dem Protagonisten seiner Geschichten. Denn wenn Hoffmann zu sich selbst sagt »Sing deine eigenen Lieder!«, dann sagt er das auch zu uns. Andererseits droht dadurch auch die Gefahr in die Beliebigkeit abzugleiten, was besonders dann der Fall ist, wenn der Sänger seinen eigenen Mikrokosmos verläßt und von der subjektiven in die objektive Betrachtungsweise zu wechseln sucht. Über den lobenswerten Ansatz auch gesellschaftliche Probleme zu behandeln kommt Hoffmann nicht hinaus. »Hinter den Gardinen versteinert die Angst und starrt verbittert auf alles Fremde.« - So weit, so wahr. Doch tiefer dringt der Sänger nicht ein; wo er gegen sich selbst harte und wahre Worte findet, läßt er bei der Problematik Ausländerfeindlichkeit seine gewohnte Schärfe vermissen.

Auf jeden Fall ohne Biß jedoch: Hoffmanns vierköpfige Begleittruppe. Mit ihrem biederem Schlager-Pop hat sie kaum eine Chance die Aufmerksamkeit des Publikums vom Star des Abends abzulenken. Ihre besten Momente hat die Band noch dann, wenn sie ihre Billig-Synthie-Sounds schweigen läßt und mit unverstärkten Instrumenten eine kammermusikalische Atmosphäre zaubert. Doch Klaus Hoffmann kann eigentlich getrost auf musikalische Effekte verzichten, hat er doch sein Publikum von Anfang an fest im Griff: ein paar einfache Gesten, ein Zucken der Augenbrauen, ein schelmisches Grinsen - und die Menge hängt dem gelernten Schauspieler an den Lippen, so daß man schließlich beim schlichten a-capella-Vortrag die Stecknadel fallen hören könnte.

»Ich werde lügen, was das Zeug hält« hat uns Klaus Hoffmann gewarnt. Doch es kommt nicht darauf an ob seine Geschichten nun wahr oder erfunden sind. Wichtig ist, daß sie alle wahr sein könneten. Und Hoffmann ist Künstler genug, genau das seinem Publikum zu vermitteln.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Rockmusikalische Entertainer
Scorpions (13. 10. 1993)

Autor: Zippo Zimmermann

Was will man schon gegen die Scorpions haben? Sind sie nicht jenseits von Gut und Böse, wie sie da auf der Bühne stehen, mit ihren schon seit Jahren aus der Mode gekommenen unförmigen Gitarrenmodellen und ihren sich jeglicher musikalischen Weiterentwicklung widersetzenden Siebziger-Jahre-Rock spielen? Dann noch ein »Saarbrücken, wir lieben Euch« - die fünf netten Rockarbeiter von Nebenan lassen erst gar keine Gräben entstehen, wie sie sich so oft zwischen intellektuellen Künstlern und dem Publikum auftun.

Vom ersten Song an lassen die fünf kaum ein noch so abgegriffenes Gimmick aus, das die Kunst der Rockunterhaltung im Laufe der Jahrzehnte hervorgebracht hat. Das musikalische Konzept der Band ist dabei ebenso einfach wie wirkungsvoll: drei rotzige Akkorde, ein simpler Hauruck-Rhythmus, ein griffiger Mitgröl-Refrain, und schon kann die Party steigen. Wer die Hannoveraner (inklusive ein Saarbrücker, wie man ja in unseren Gefilden niemals unerwähnt lassen darf) nur von ihren rundfunkkompatiblen Schnulzen kennt, wurde eines besseren belehrt: Live auf der Bühne sind die »Scorps«, wie sie von den Fans kurz und bündig genannt werden, nicht bereit, von ihrem Image als harte Rocker abzuweichen.

Außergewöhnlich war da schon eher der Rahmen, in dem dieses Konzert stattfand: Pflegen die Scorpions sonst üblicherweise nur die größten Arenen zu bespielen, so konnte man sie am Mittwoch zurückgeholt aus den Superstar-Sphären in die bodenständige Club-Atmosphäre der Neufang Kulturfabrik erleben. Bei diesem Werbegag zur Eröffnung des Saarbrücker Clubs zeigte sich dann auch, daß die Scorpions professionell genug sind, um ihr Publikum auch ohne die gewohnten bombastischen Lichteffekte bei bester Laune zu halten.

Gleichzeitig hatte die Kulturfabrik ihren gelungenen Einstand als Forum für Rockkonzerte. Die bestechende Akustik und die mächtige Bühne lassen noch weitere Rock-Highlights erwarten. Der befürchtete (oder erhoffte?) Ansturm der Fanmassen blieb jedoch aus. Im Nachhinein erklärlich: Wer 57 DM im Vorverkauf für das Konzert der Scorpions in der Saarlandhalle hingelegt hat, möchte jetzt nicht noch einmal Geld auf den Tisch blättern, um das gleiche Konzert eine Woche vorher zu hören. So teilte sich das Publikum in die ganz harten Fans, die nicht genug von ihren Lieblingen bekommen können, und in die Schar der Neugierigen, die mal ein wenig V.I.P.-Luft schnuppern wollten. Folglich bot sich dem Betrachter ein recht bunter Anblick, der vom nietenbehangenen Hardrock-Jünger in der ersten Reihe bis zur sektschlürfenden Schönen am Stehtischchen reichte.

Am Ende des etwa 80minütigen Programms waren jedenfalls überall zufriedene Gesichter zu sehen: Die Scorpions hatten ihr Soll als rockmusikalische Entertainer erfüllt.


»Erwachsene Kinder«

»Und ich hab' gedacht, ich wär' privat hier, entfährt es Scorpions-Drummer Hermann Erbel alias »Rarebell«, als er während der Scorpions-After-Show-Party zum Interview gebeten wird. Doch ein gelungenes Konzert vor heimischen Publikum im ungewöhnlichen Rahmen eines Club-Konzertes war Grund genug, dem gebürtigen Saarbrücker ein paar Fragen zu stellen - über Musik und Message, Fans und Frauen.

SZ: Wie war das Heimspiel?
Rarebell: Also, ich finde das ja immer geil hier, weil - das Saarland ist eben das Saarland: das beste Land weltweit. Das ist kein Spruch: Das Saarland hat etwas ganz Spezielles, das hat kein anderes Völkchen. Und mir hat das sehr viel Spaß gemacht, heute abend hier zu spielen, weil alles hautnah war und die Leute gut drauf waren.
SZ: Wie hat sich heute der Unterschied Clubkonzert-Halle für Euch gezeigt?
Rarebell: Das fängt schon an mit dem ganzen Bombast, der drumherum ist, wenn Du in einer Halle wie der Saarlandhalle spielst: Da ist 'ne Riesen-Lightshow, 'ne Riesen-Anlage, das Programm ist zwei bis zweieinhalb Stunden lang, in der Mitte ist ein Akustik-Set und so weiter. Zum Beispiel heute abend das Schlagzeugsolo und das Baßsolo: Solche Sachen haben wir in unserem normalen Programm gar nicht drin, weil wir in unserer Karriere inzwischen so viele Stücke geschrieben haben, daß für Soloeinlagen gar keine Zeit mehr ist.
SZ: Heute kam Eure Musik auch ohne die bombastische Lightshow 'rüber. Warum braucht Ihr die überhaupt?
Rarebell: Das hab' ich mir heut' tatsächlich auch überlegt. Aber wir können jetzt nicht hingehen und nur noch in Clubs spielen, dann würden sich viele Fans beschweren, weil sie uns nicht sehen könnten. Der Grund, warum wir in diesen großen Hallen spielen, ist, daß wir so viele Fans haben.
SZ: Als Deutschlands Rockexport Nummer 1 kommt Ihr in der ganzen Welt 'rum. Fühlt Ihr Euch als eine Art Botschafter?
Rarebell: So werden wir angesehen. Wenn wir in fremde Länder kommen, ist das erste, was uns die Leute fragen: »Stimmt das mit den ganzen Neonazis? Kann ich überhaupt noch nach Deutschland kommen, ohne zusammengeschlagen zu werden?« Wir versuchen dann schon, unsere Botschaften 'rüberzubringen. Ob die Leute das dann auch annehmen, ist die Frage.
SZ: Und als musikalischer Botschafter?
Rarebell: Musikalisch haben wir ohne Zweifel viele Pfade geschlagen. Wir warten nur noch auf eine andere deutsche Band die uns jetzt langsam nachfolgt.
SZ: Was wollt Ihr, wenn Ihr auf die Bühne geht: daß die Leute ihren Spaß haben - oder wollt Ihr auch eine Message verkünden?
Rarebell: Wir wollen zuerst einmal unseren Spaß haben. Wir sind da sehr egoistisch. Und der Spaß, den wir haben, steckt dann die Leute an. Gerade heute abend hat man das gut gemerkt. Aber im Prinzip ist es uns egal, ob wir vor fünfzehnhundert oder fünfzehntausend Leuten spielen.
SZ: Wollt Ihr mit Euren Texten etwas bewirken?
Rarebell: Auf unserer neuen Platte »Face the Heat« haben wir schon Wert darauf gelegt, daß die Botschaften extrem positiv sind und daß die Leute Denkanstöße haben zum Beispiel durch Songs wie »Unholy Alliance« über das Neonaziproblem oder »We all live under the same sun, why can't we live as one«. Wir denken schon als Weltbürger, und wir sind der Meinung, daß, wenn wir diese Erde nicht als gemeinsamen Planeten ansehen, uns stattdessen nur auf kleine Ländchen beschränken, daß wir dann alle irgendwann zusammen untergehen. Es müßte eine gemeinsame Weltkontrolle geben, die global Problem wie die Abholzung des Regenwaldes oder den Jugoslawien-Krieg angeht. Unser Plattentitel »Face the Heat« bedeutet nichts anderes als »Stell dich den Problemen«.
SZ: Aber wenn Ihr abends auf der Bühne steht, dann sind Musik und Spaß die Hauptsache?
Rarebell: Wir sind in erster Linie Entertainer. Wir sind also keine Politiker. Das würde uns auch keiner abnehmen. Wir wollen, daß die Leute zu uns kommen und mal für einen Abend ihre Probleme vergessen, daß sie 'n gutes Feeling haben und gut drauf sind. Wenn sie sich aber die Platte zu Hause anhören, dann wollen wir schon Denkanstöße geben.
SZ: Wieweit identifiziert Ihr Euch mit Eurem Macho-Image, das sich in Songtiteln wie »Bad Boys« oder »Rock you like a Hurricane« und in Cover-Motiven mit leichtbekleideten Frauen ausdrückt?
Rarebell: Du darfst nicht vergessen, daß diese Titel Anfang der 80er Jahre geschrieben wurden; da war eben »Good Time« angesagt on the road. Und ich seh' auch nichts Schlechtes am Sex. Doch seit dieser Zeit um '83/'84 haben wir solche Titel nicht mehr geschrieben. Wir sind ernster geworden in unseren Themen und haben uns menschlich und musikalisch weiterentwickelt. Bei unseren vielen Reisen um den Erdball haben wir Probleme überall gesehen und haben angefangen, dann darüber zu schreiben.
Wir sind natürlich auch heute keine Kostverächter. Ganz klar: Es ist 'ne schöne Sache, als Musiker jeden Abend die geilsten Weiber um sich 'rum zu haben. Nur ob wir heute noch mit denen zu Bett gehen, ist 'ne andere Frage. Es gibt in der Zwischenzeit AIDS, und es gibt in der Zwischenzeit Sachen, die dich im Kopf mehr beschäftigen. Die Prioritäten haben sich verschoben.
SZ: Kann man also sagen, Ihr seid erwachsen geworden?
Rarebell: Wir sind erwachsene Kinder geworden.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Opulente Soundgemälde
Saga (20. 4. 1993)

Autor: Zippo Zimmermann

Ein kleines Dörflein, umgeben von grünen Hügeln, gelegen inmitten des lieblichen Illtales: Hüttigweiler. Und hier soll die Europatournee-Premiere eines internationalen Rockacts über die Bühne gehen? Der Schluß liegt nahe, daß »Saga« schon einmal bessere Zeiten gesehen haben, und er bestätigt sich, wenn man das Innere des »Hällchens« betritt, wo die Riesenbühne völlig disproportional gleich einen Drittel der Saalfläche in Beschlag nimmt.

Doch zunächst gab es als kleine Überraschung die Gruppe »Nightfall«. Mit einer professionell durchgezogenen Show konnten die fünf Saarländer ihren Ruf als eine der wichtigsten regionalen Vertreter des kommerziellen Hardrock weiter verbessern.

Trotzdem hatten es danach »Saga« nicht schwer, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Mit ihrer jüngsten Veröffentlichung »The Security of Illusion« knüpfen die Kanadier nahtlos an alte Zeiten an. Oder anders gesagt: Seit ihrem Plattendebüt vor 15 Jahren haben »Saga« es nicht für nötig befunden, sich musikalisch weiterzuentwickeln. Damals retteten sie den Art-Rock hinüber in die 80er Jahre, freilich ohne die intellektuelle Verschrobenheit der frühen »Genesis« oder »Yes« zu übernehmen. Heute steht das Quintett nach diversen personellen Änderungen wieder in Originalbesetzung auf der Bühne und klingt immer noch so wie »Saga« schon immer geklungen haben und wohl auch noch in alle Ewigkeit klingen werden.

Und das heißt opulente, mit reichlich Synthie-Soße zugeschmierte Soundgemälde, die einer wagnerianischen Klangästhetik huldigen, aber auch filigran instrumentierte Songminiaturen, die mit ihrer Fülle an musikalischen Details zum Zuhören einladen. Zwischen hochmelodiösen, stets wohlklingenden Gesangslinien mit Ohrwurm-Appeal, eifert die Band in durchkomponierten Instrumentalteilen musikalischen Idealen des vorigen Jahrhunderts nach. Einzig Gitarrist lan Chrichton schafft es bisweilen mit einem kleinen Heavy-Solo aus den vorgefertigten Strukturen auszubrechen, um dann jedoch Sekunden später wieder in die wohldurchdachte musikalische Form eingebunden zu werden.

Wer von einer Rockband so etwas wie Spontaneität, Spielwitz, Improvisation oder gar Feeling erwartet, der ist bei »Saga« an der falschen Adresse. Bei aller Kunstfertigkeit, die die Band nicht müde wird zu demonstrieren, triften »Saga« jedoch nie ins Esoterische ab. Vielmehr liefern sie gefällige Rockunterhaltung für jedermann - und mehr hat ja auch allen Ernstes niemand erwartet.

<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite
 

Metal-Kasperletheater
Iron Maiden (20. 4. 1993)
Autor: Zippo Zimmermann

Krachende Gitarren, tosende Drumgewitter, gereckte Fäuste, geschüttelte Mähnen: »Heavy Metal« war angesagt. Das britische Quintett »Iron Maiden« gab sich in der Saarlandhalle die Ehre, die Ohren der Saarbrücker Fans höchstpersönlich durchzupusten.

Vom ersten Schrei ins Mikro nach etwa drei Sekunden bis zu abgestandenen Gitarrenschwingerposen bemühten sich die Fünf kein Klischee des Genres auszulassen. Dabei sollte man jedoch nicht übersehen (oder vielmehr überhören), daß die Band musikalisch durchaus einiges zu bieten hat: Jeder einzelne der Musiker ist ein Virtuose.

Schlagzeuger Nicko McBrain und Baßmann Steve Harris weben mit Maschinengewehrdrums und wieselflinken Baßläufen einen dichten Teppich der den Gitarren Steve Murrays und Janick Gers' genug Platz zu rasenden Verfolgungsjagden bietet. Doch geht atemberaubende Schnelligkeit zu Lasten rhythmischer Vielschichtigkeit. Und von punktgenauen zweistimmigen Gitarrenläufen zu undurchdringlichem Klangbrei ist es nur ein kleiner Schritt: Da fordert die ohrenbetäubende Lautstärke ihren Tribut

Über allem der Gesang Bruce Dickinsons. Der Frontmann bewegt seine Stimme zumeist an der oberen Grenze ihres Umfangs und verleiht so seinem Vortrag immer einen leicht enervierenden bis hysterischen Charakter.

Eins soll jedoch klargestellt werden: Dickinson singt tatsächlich; trotz aller Härte liegt der Musik stets eine klare Gesangsmelodie zugrunde. Eher ruhigere, aus unheilverkündenden Akkordfolgen bestehende Songintros bieten Musikern und Zuhörern Verschnaufpausen und unterstreichen das Gruselimage der Band, die sich nach einem mittelalterlichen Folterinstrument benannte. Das Quintett, das sich Ende der 70er Jahre als Teil einer »New Wave of British Heavy Metal« formierte, kann heute mit Horrorgeschichten und Satanskult jedoch keinen mehr schocken.

Zu ihrer Gründungszeit lösten »Iron Maiden« die bisherigen, noch stark vom Blues beeinflußten Hardrock-Heroen, wie »Deep Purple« oder »Led Zeppelin«, ab. Mit ihrem schnelleren, härteren und ganz auf die europäische Harmonik basierenden Rock erzielten sie Rekordumsätze. Doch auch die Zeit von »Iron Maiden« ist inzwischen abgelaufen, was allein ein Blick in die nur halbgefüllte Saarlandhalle beweist. Die Helden der Kids von heute heißen »Nirvana«, »Guns'n'Roses« oder »Metallica« und schaffen es viel überzeugender Musik, Message und Image miteinander zu verbinden.

Das Dilemma von »Iron Maiden« ist es einerseits als »Hardrocker mit Tiefgang« ernstgenommen werden zu wollen, andererseits auf der Bühne mit überdimensionalen Monsterpuppen ein Metal-Kasperletheater aufzuführen, das im besten Falle recht amüsant ist, die Musik der Band jedoch eher ins Lächerliche zieht Aber was würden die Fans wohl zu einem »Maiden«-Konzert ohne Horror-Maskottchen »Eddie« sagen?

-> Leserbriefe zu diesem Artikel
<- Zurück zur Artikelübersicht
<- Zurück zu Zips Heimatseite