Universität des Saarlandes
Fachrichtung Soziologie
Übung: »Jugend, Film und Kino«
Sommersemester 1995
Leitung: Prof. Dr. Krämer

Arbeitsgruppe 3: Musikfilm

»The Doors«

vorgelegt von:
Zippo Zimmermann, Gräfinthalerstr. 25, 66130 Saarbrücken


 

Inhalt

1 Kino und Jugendmusikkultur

2 Der Film »The Doors«

 I. Autor und Regisseur
 II. Handlung
 III. »The Doors« als aktueller Musikfilm
 IV. Attraktion auf Jugendliche

3 Literaturverzeichnis


 

1 Kino und Jugendmusikkultur

In der soziologischen Literatur herrscht kein Zweifel darüber, daß Rock- und Popmusik ein bedeutsamer Bestandteil der Lebenswelt Jugendlicher sind:

"Auch in der Bevorzugung bestimmter Medien unterscheiden sie sich von anderen Altersgruppen. Wesentliche Leitmedien für Jugendliche sind auditive Medien: Radio, Schallplatten, Kassetten, auch Walkman. Es ist die Rock- und Popmusik, die für Jugendliche wichtig ist."1

"Pop - in seiner gesamten Bandbreite von Rock, Punk und Heavy Metal über Soul und Reggae bis zu Danceoor und HipHop - ist seit den 50er Jahren das Nonplusultra der Jugendkultur, und Popmusik zu hören ist traditionell die liebste Beschäftigung der Jugendlichen: Satte 97 Prozent der 14- bis 19jährigen in den alten und 95 Prozent in den neuen Bundesländern gaben 1992 an, daß sie in ihrer Freizeit gern 'Musik hören'. (...) Dabei wurden die Optionen 'Pop/Disco-Sound', 'Rock' und 'Hard Rock' mit weitem Abstand vor 'Folk', 'Jazz', 'Volksmusik' und 'Klassik' bevorzugt. Mit der Popmusik identizieren sich die Jugendlichen nämlich viel intensiver. Sie ist geradezu eine Art Schlüssel zum Verständnis ihrer Kultur."2

Folgerichtig sollte man annehmen, daß der Musikfilm, der diese so bedeutsame Popmusik mit dem wichtigsten medialen Freizeitort der Jugendlichen - dem Kino3 - verbindet, von herausragender Bedeutung sein müßte.

Tatsächlich sieht es jedoch so aus, daß keiner der bedeutsamen neuen Popmusiktrends der neunziger Jahre, wie Grunge, Techno oder Hip-Hop, in einem Musikfilm aufgegriffen wurde. Auch die bei einem großen Teil der Jugendlichen nach wie vor sehr beliebte, musikalisch eher konservative Schlagermusik (wie z.B. Take That oder Kelly Family), die ja oftmals beim Blick auf spektakulärere subkulturelle Bewegungen gerne in Vergessenheit gerät, wurde nicht berücksichtigt.

Warum dies nicht getan wurde, dafür kann man eine Reihe möglicher Ursachen nennen:

  • Seit den achtziger Jahren kann man in den USA - und seit den neunziger Jahren auch in Deutschland - in fast jedem Haushalt Musikkanäle, wie MTV oder Viva empfangen, die rund um die Uhr Videoclips ausstrahlen. Das Bedürfnis nach der Verbindung auditiven und visuellen Erlebens wird durch solche Fernsehprogramme bereits befriedigt.
  • In den achtziger Jahren kehrte mit Produktionen, wie "Gib Gas - ich will Spaß" (1982) oder "Der Formel-Eins-Film" (1985), der "synthetische Jugendfilm", in dem bekannte Popstars in belanglose Rahmenhandlungen gezwängt werden, nochmals in die Kinos zurück. Diese Filme, die direkt an die Schlagerfilme der fünfziger Jahre mit Conny und Peter etc. anknüpften, wurden jedoch von den Jugendlichen nicht mehr akzeptiert und daher schon Ende der achtziger Jahre nicht mehr in den Kinos gesehen.4
  • Die Jugendkultur hat sich in eine unübersichtliche Vielzahl von Subkulturen aufgesplittet. Damit einhergehend kam es zu einer "Inflation der Musikstile"5:
    "Wo früher nur, vereinfacht gesagt, die Wahl zwischen deutschem Schlager oder Beatles und Elvis bestand, tut sich heute ein gewaltiges Spektrum auf."6 Das heißt es gibt keinen aktuellen Musikstil mehr, der mehrheitsfähig ist. So erreichten in den vergangenen Jahren Filme von und mit Rockmusikern wie U2, The Cure, Prince etc. nur noch ein spezielles Fanpublikum.
  • Die zumeist schon dem Jugendalter entwachsenen Filmproduzenten können dem sich immer schneller drehenden Trendkarussell der Popmusik nicht mehr folgen oder nicht schnell genug darauf reagieren. Möglicherweise können sie das der aktuellen Popmusik zugrunde liegende Lebensgefühl nicht mehr nachvollziehen oder haben Schwierigkeiten einen echten Trend von einem von der Industrie lanciertem (einem sogenannten "Hype")7 zu unterscheiden.

Die Folge der oben genannten Ursachen ist, daß nur noch Filme mit altersunspezifischer massenkompatibler Mainstreammusik, wie "Tina" (1993) oder "Die Commitments" (1991), oder mit ebenso generationenübergreifenden musikalischen Klassikern, wie eben "The Doors", noch in der Lage sind ein größeres Publikum zu Musikfilmen ins Kino zu locken.

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2 Der Film "The Doors"

I. Autor und Regisseur

Oliver Stone wurde am 15.09.1946 in New York geboren. Nach dem College meldete er sich freiwillig zum Kriegseinsatz nach Vietnam. Anschließend studierte er Film bei dem renommierten Regisseur Martin Scorsese.

Filme von Oliver Stone:

  • "The Hand" (1981)
  • "Salvador" (1985)
  • "Platoon" (1986)
  • "Wall Street" (1987)
  • "Talk Radio" (1988)
  • "Born on the Fourth of July" (1989)
  • "The Doors" (1990)
  • "JFK" (1991)
  • "Heaven and Earth" (1993)
  • "Natural Born Killers" (1994)
  • "Nixon" (1995)

Stone ist sowohl Regisseur, als auch Autor bzw. Mitautor dieser Filme. Der Vietnamfilm "Platoon" gewann mehrere Oscars. 1994 löst Stone mit dem Film "Natural Born Killers", der ungewöhnlich brutale Szenen enthält, noch einmal eine Diskussion über Filmzensur aus.

Das Buch zu "The Doors" schrieb Stone zusammen mit J. Randal Johnson.

Die Thematik des Filmes "The Doors" steht nicht isoliert in Stones Gesamtwerk: Zwar ist es der einzige Musikfilm, jedoch nur einer von mehreren Filmen, die in den sechziger Jahren, also Stones Jugendzeit, spielen.

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II. Handlung

"The Doors" ist ein Spielfilm, der auf tatsächlichen Gegebenheiten beruht: Der Filmstudent Jim Morrison gründet Mitte der sechziger Jahre in Los Angeles zusammen mit Kommilitonen die Rockband The Doors. Die Band wird äußerst erfolgreich und Morrison provoziert durch seinen bürgerlichen Konventionen widersprechenden Lebensstil. Nach sechs Jahren verläßt Morrison die Band und zieht nach Paris, wo er kurze Zeit später, vermutlich aufgrund übersteigerten Alkohol- und Drogenkonsums, stirbt.

Es fällt auf, daß der Film zwar den Titel der Band trägt, der eigentliche Protagonist der Handlung jedoch Sänger Jim Morrison ist. Die übrigen Bandmitglieder treten nur als Randfiguren in Erscheinung. Allenfalls Organist Ray Manzarek ist in seiner Nebenrolle als intellektueller Gegenpol zum emotionalen Morrison noch von gewisser Bedeutung.

Der Film will offenbar das Lebensgefühl der Jugendlichen Ende der sechziger Jahre demonstrieren. Tatsächlich hat Morrison jedoch nur in wenigen Dingen Ähnlichkeit mit den Hippies, z.B. aus "Easy Rider". Vielmehr wird in der Figur Morrisons das zeitlose Klischee vom exzessiven Künstlerleben dargestellt. Im Film handelt Morrison genau so, wie wir es von einem Künstler zwischen Genie und Wahnsinn erwarten: er sucht die Extreme und pfeift auf bürgerliche Konventionen, exakt wie wir es schon aus zahllosen anderen Filmen (z.B. über Van Gogh oder Gaugin) oder auch aus Hesses Roman "Der Steppenwolf" kennen.

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III. "The Doors" als aktueller Musikfilm

Oliver Stone hat nun einige Vorkehrungen getroffen, damit "The Doors" in unserer musikfilmunfreundlichen Zeit bestehen kann, auch wenn dieser Film lange nicht so erfolgreich war, wie andere seiner Produktionen (z.B. "JFK" oder "Platoon").

  • So porträtiert er mit den Doors eine Band aus seiner eigenen Jugendzeit und findet in Jim Morrison einen Musiker aus seiner eigenen Generation. Das legt nahe, daß der Autor und Regisseur das der Musik zugrunde liegende Lebensgefühl nachvollziehen kann.
  • MTV, der erste Videoclip-Kanal, hat eine neue Ästhetik der Visualisierung von Musik geprägt, die in Ablegern und Nachahmern des Musikkanals (Viva, VH-1) fortgeführt und sogar inzwischen in anderen Sendungen, die ein junges Publikum erreichen wollen (Bravo-TV, Arabella, Zak etc.), aufgegriffen wurde. Oliver Stone überträgt nun diese Videoclip-Ästhetik (die im Wesentlichen durch schnelle Schnitte und eine nie still stehende Kamera erzielt wird) auf die Kinoleinwand und trägt so jugendlichen Sehgewohnheiten Rechnung.
  • Neben ihrer Stellung als Klassiker der Rockmusik spricht für die Doors (aus Sicht des Filmemachers), daß sie schon in den vergangenen Jahrzehnten stets eine lukrative Einnahmequelle für Musikindustrie und Verlage waren. Schon zur Zeit ihres Bestehens war die Band überaus erfolgreich, sowohl was Schallplattenverkäufe als auch Tourneeaktivitäten angeht. 1981 zum zehnten Todestag Morrisons wurde dann das erste Doors-Revival eingeläutet. Die Band verkaufte mehr Schallplatten als je zuvor (obwohl sie sich längst aufgelöst hatte) und die romanartige Morrison-Biographie "No One Here Gets Out Alive" von Jerry Hopkins und Daniel Sugerman wurde ein Bestseller.

    Folgerichtig markierte das Jahr 1991 einen neuen Höhepunkt der Doors-Vermarktung: Doors-Platten werden wiederveröffentlicht und kommen in die Verkaufs-Charts, unveröffentlichte Konzertaufnahmen erscheinen, Doors-Stücke werden im Rundfunk gespielt und mehrere neue Morrison-Biographien kommen in den Buchhandel. "1991 war das Jahr Jim Morrisons - und the doors das dazu passende Medienereignis."8

Die Gründe für diese Attraktivität der Doors sind darin zu suchen, daß sie ihre Musik mit (diffusem) Protest gegen das Establishment verbanden, den sie durch Outfit, Drogenkonsum, zur Schau gestellte Sexualität etc. demonstrierten. Hinzu kommt der Starkult um Sex-Symbol Jim Morrison. Sein früher Tod im Alter von 27 Jahren verhinderte die Zerstörung des Mythos durch Altern oder kreativen Niedergang. Das bedeutet, daß auch heutige Jugendliche sich noch mit Morrison identizieren können, er sozusagen immer noch ein "Gleichaltriger" ist.

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IV. Attraktion auf Jugendliche

Die Attraktion des Films auf Jugendliche läßt sich erklären, wenn man den Begriff "jugendlich" über das gemeinsame Lebensgefühl definiert. Ein Lebensgefühl, das auch unter den Jugendlichen differieren kann, dessen Abgrenzung zur Erwachsenenwelt jedoch eindeutig ist. So beschreiben Klaus Janke und Stefan Niehues beispielhaft einen "Jugendlichen", der wohl nach allen anderen Definitionen ein "Erwachsener" wäre: "Es gibt auch den 30jährigen Lastwagenfahrer, der zwar verheiratet ist, aber nach wie vor am liebsten die Jeansjacke mit dem Aufnäher der Hard-Rock-Gruppe AC/DC trägt und sich auf den meisten einschlägigen Rockkonzerten der Gegend sehen läßt. Seine Gedanken- und Wertewelt ist in etwa die gleiche, die er auch mit 21 schon hatte."9

Bestandteil des gemeinsamen jugendlichen Lebensgefühls ist wohl ein Hang zu, oder zumindest Sympathie mit einem emotionalen, genußorientierten und von Konventionen befreiten Lebensstil, wie Morrison ihn pflegt. Dafür spricht, daß von "erwachsenen" Journalisten, die dieses Lebensgefühl nicht mehr teilen, die negativen Seiten eines solchen Lebensstiles, die Stone gleichfalls in seinem Film darstellt, betont werden. In der Saarbrücker Zeitung hieß es z.B.: "Letztlich entlarvt Stone die Flower-Power-Ära als Selbstbetrug. (...) Unser Lebensgefühl unterscheidet sich doch sehr vom damaligen. Doch vielleicht wolle Stone gerade das bewußt machen."10 Laut Pop-Theoretiker Greil Marcus beschreibt Stone die "Sixties als einen echten Fluch: keine großartige, einfache romantische Zeit, die man den Teenagern von heute als Ausflugsziel verkaufen könnte, sondern eine Zeit, in der die Leute schon damals, als sie Konturen annahm, ahnten, daß sie dort nie wirklich zu Hause sein würden und daß sie sie gleichzeitig nie verlassen könnten."11 Und im US-Nachrichtenmagazin Newsweek polemisierte der konservative Kolumnist George F. Will gegen den Film. "Wo die amerikanische Jugend es doch eben geschafft hat, General Norman Schwarzkopf zu bewundern, schaudert es Will vor einer Wiederkehr der verhaßten 'Gegenkultur'."12

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Anmerkungen

  1. Baacke /Schäfer 1994, S. 15
  2. Janke/Niehues 1995, S. 54
  3. vgl. Baacke/Schäfer/Vollbrecht 1994, S. 88
  4. vgl. Baacke /Schäfer 1994, S. 210
  5. Janke/Niehues 1995, S. 59
  6. Janke/Niehues 1995, S. 135
  7. vgl. Janke/Niehues 1995, S.121
  8. Baacke /Schäfer 1994, S. 253
  9. Janke/Niehues 1995, S. 12
  10. "Saarbrücker Zeitung", 07.05.1991
  11. Marcus 1994, S. 511
  12. "Der Spiegel" 14/1991, S. 274

 

Literaturverzeichnis

Bücher:

  1. Dieter Baacke/Horst Schäfer:
    "Leben wie im Kino - Jugendkulturen und Film"
    Frankfurt am Main 1994
  2. Dieter Baacke/Horst Schäfer/Ralf Vollbrecht:
    "Treffpunkt Kino - Daten und Materialien zum Verhältnis von Jugend und Kino"
    Weinheim und München 1994
  3. Klaus Janke/Stefan Niehues:
    "Echt abgedreht - Die Jugend der 90er Jahre"
    München 1995
  4. Greil Marcus:
    "Im faschistischen Badezimmer - Punk unter Reagan, Thatcher und Kohl 1977-1994"
    Hamburg 1994

Periodika:

  1. "Der Spiegel" 14/1991
    Hamburg 1991
  2. "Saarbrücker Zeitung" 07.05.1991
    Saarbrücken 1991

 


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