Bob Dylan 1974

»Man muß nicht unbedingt schreiben, um ein Dichter zu sein.
Manche Leute arbeiten an der Tankstelle, und sie sind Dichter.
Ich bezeichne mich nicht so, weil ich das Wort Dichter nicht mag.
Ich bin ein Hochseilartist.«


Eine ebenso unvollständige wie subjektive Chronik (Teil II)

Teil I: 1941–1966
Teil II: 1966–1978
Teil III: 1979–1988
Teil IV: 1988–2009

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1966

(Bild vergrößern) Bob mit Ehefrau Sara und den Kindern Anna, Jesse und Samuel
Bob mit Ehefrau Sara und den Kindern Anna, Jesse und Samuel

Nach einem Motorradunfall zieht sich Bob Dylan ins Privatleben zurück, gründet eine Familie (1965 hatte er heimlich Sara Lowndes geheiratet) und bezieht ein Häuschen in dem damals gänzlich unbekannten Kaff Woodstock.

1967/1975

Im Keller seines Hauses probt Dylan zusammen mit »The Band« neue Songs. Die Tonbänder gelangen in die Hände von Raubkopierern und werden als Schwarzpressung hunderttausendfach verkauft: Die »Basement Tapes« werden zum ersten Bootleg der Popgeschichte. Als sie 1975 schließlich offiziell veröffentlicht werden, wundert sich Dylan über den Erfolg: »Ich dachte, es hätte bereits jeder ein Exemplar.«

1967

Den Höhepunkt der Flowerpower-Psychedelic-Welle (Sgt. Pepper!), an der er selbst nicht ganz unschuldig ist, kontert Dylan mit Low-Budget: In nur 6 Stunden spielt er »John Wesley Harding« ein, ein minimalistisches Album von karger Folk-Schlichtheit mit biblisch anmutenden, gleichnishaften Liedern. Auf das Cover setzt er ein unscharfes Schwarzweiß-Foto mit seinem Gärtner. Nichtsdestotrotz wird die LP als Meisterwerk gefeiert. »All Along The Watchtower« macht Jimi Hendrix zum Hit.
(->Album-Cover - Der Mann rechts hinter Bobby: Dylans Gärtner)

1969

Bob Dylan singt zusammen mit Johnny Cash in dessen Fernsehshow und präsentiert mit »Nashville Skyline« ein Album, auf dem er mit geölter Stimme über die Freuden des Landlebens und der Liebe singt. Obwohl die Fans mal wieder in hohem Maße irritiert sind, öffnet Dylan damit der Popwelt das Tor zur ehedem als hinterwäldlerisch und reaktionär verschrienen Country'n'Western-Musik, durch das Gruppen wie »Crosby, Stills, Nash & Young« oder »The Eagles« nachfolgen.
(->Foto: Bob Dylan & Johnny Cash)

1970

Dylans Auftritt bei George Harrisons »Concert for Bangladesh« zeigt, daß er keineswegs dem sozialen Engagement abgeschworen hat.

 Bob Dylan Ende der 60er

1970

Die Princeton University verleiht Bob Dylan die Ehrendoktor-Würde -- Kein Zweifel mehr: Die Popmusik ist erwachsen geworden.

1970

Als Woodstock zur Hippie-Hochburg und zum Wallfahrtsort für Dylan-Jünger wird, flüchten die Dylans vor dem Rummel zurück nach New York. Doch dort sollte es noch schlimmer kommen: Der selbsternannte Dylanologe Alan J. Weberman versucht zu belegen, daß Bob Dylan heroinsüchtig und zudem nur noch eine Marionette der Musikindustrie und Drogenmafia sei. Weberman scheut nicht davor Dylans Mülltonne zu durchwühlen, organisiert Demonstrationen vor Dylans Haus und kann sich dabei keineswegs über mangelndes Medien-Echo beklagen.

1970

Poster von Milton Glaser für die Tournee 1974
Milton Glaser zeichnete das Poster für die Tournee 1974

Die Terrorisierung durch fanatische Verehrer beantwortet Bob Dylan mit einem provozierenderweise »Self Portrait« betitelten Doppelalbum: Dylan gibt, begleitet von Streichern und Frauenchören, alte Schlager, seltsame Coverversionen (Dylan mit sich selbst im Duett in Simon & Garfunkles »The Boxer«) und bizarre Easy-Listening-Instrumentals zum Besten. Die Platte wird von Fans und Kritikern in der Luft zerrissen, »Was soll dieser Mist?« stöhnt Kritikerpapst Greil Marcus im Rolling Stone. Kein Mensch gibt mehr einen Pfifferling auf die Karriere des Barden. (->Album-Cover)

1970

Allgemeine Erleichterung macht sich breit, als Dylan auf »New Morning« wieder mit gewohnter Krächz-Stimme eigenes Songmaterial zu Gehör bringt.

1971

Dylans Roman »Tarantula« erleidet das gleiche Schicksal wie die »Basement Tapes«: noch gar nicht fertiggeschrieben, kursiert er schon als Raubkopie (Weberman hatte Fetzen davon in Dylans Mülltonne gefunden). Obwohl Dylan mit seinem Werk noch unzufrieden ist, beugt er sich dem Druck und veröffentlicht den Roman als Fragment.

Peanuts (von Charles M. Schultz)
Was es 1971 hieß, wenn ein Jugend-Idol plötzlich 30 wurde, kann man sich heute kaum mehr vorstellen.

1973

Dylan spielt die Rolle des »Alias« in Sam Peckinpahs Western »Pat Garrett jagt Billy the Kid« und komponiert den Soundtrack, dem wir unter anderem »Knockin' On Heaven's Door« zu verdanken haben.

1974

(Bild vergrößern) Bob Dylan 1974
Gelegentlich nimmt Dylan auch am Piano Platz, so bei der Tour 1974

Zu Dylans erster Konzerttournee seit 1966 sind die Karten binnen Stunden ausverkauft.

1975

Dylan geht es schlecht, den Fans geht es gut: »Blood On The Tracks«, ein Meisterwerk voll Schmerz und Bitterkeit, wird von Anhängern wie von Kritikern umjubelt und manifestiert Dylans Comeback.

Doch der Weg dorthin war beschwerlich: nachdem die Plattenfirma schon Promo-Exemplare an DJs und Journalisten verteilt hat, trommelt Dylan - unzufrieden mit der ersten Fassung - erneut seine Musiker zusammen, um das Album fast komplett neu einzuspielen.

1975/76

Mit einem Troß von 20 Künstlern (Joan Baez, Joni Mitchell, Roger McGuinn, Dichter Allen Ginsberg, Autor Sam Shepard u.a.) und einem Filmteam tourt Dylan als »Rolling Thunder Revue« durch den Nordosten der USA. Auf dem Programm stehen unter anderem Überraschungs-Konzerte in diversen Kleinstädten.

1975

Der Boxer Rubin »Hurricane« Carter wird unter dubiosen Umständen des Mordes angeklagt. Bob Dylan und seine Kollegen von der »Rolling Thunder Revue« verschaffen dem Fall Öffentlichkeit und tragen so dazu bei, daß das Verfahren wieder aufgenommen wird. Doch erst 1985 wird Carter rehabilitiert. (->Foto: Bob Dylan & Rubin Carter)

1976

Dylan ist zu Gast beim Abschiedskonzert seiner langjährigen Begleitband »The Band«. Martin Scorsese bringt das Spektakel als »The Last Waltz« auf die Kino-Leinwand.

1976/77

In »Sara« zog Dylan noch alle Register, um seine Frau zurückzugewinnen. Doch vergebens: 1977 wird die Ehe von Bob und Sara Dylan geschieden.

1977

Bob Dylan in »The Last Waltz« 1976
Bob Dylan in »The Last Waltz« 1976

Bob Dylan verbringt das Jahr fast vollständig im Schneideraum, um aus über hundert Stunden Filmmaterial seinen Kinofilm »Renaldo and Clara« (Hauptdarsteller, Drehbuch und Regie: Bob Dylan) zurechtzustutzen. Das vierstündige Film-Epos wird von der Kritik verrissen und vom Publikum ignoriert. Dylan fühlt sich unverstanden von der Welt.

1978

Dylan geht auf Welttournee und spielt erstmals auch in Deutschland. Während alte Dylan-Klassiker im trendigen Raeggae-Rhythmus das Berliner Publikum zu Unmutsbekundungen reizen (es fliegen Wasserbeutel und Eier auf die Bühne, die Musiker werden ausgebuht), jubeln ihm auf dem Nürnberger Zeppelinfeld (dem ehemaligen Reichsparteitaggelände) 70 000 Menschen zu. Dylan ist tief beeindruckt.
(->Foto: Zeppelinfeld Nürnberg)

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